Im Jahre 1937 schrieb Keynes, dass der Aufschwung, nicht der Abschwung der richtige Zeitpunkt für Sparmassnahmen ist. Jean-Claude Trichet, EZB-Präsident ist damit nicht einverstanden. Seine Argumentation am vergangenen Freitag in FT lautet, dass fiskalpolitische Sparmassnahmen erforderlich sind, um die Erholung der Wirtschaft zu konsolidieren. Das hat sich zu einem Standard der europäischen (nicht amerikanischen) Wirtschaftspolitik entwickelt, bemerken Robert Skidelsky und Michael Kennedy in einem lesenswerten Essay („Future generations will curse us for cutting in an slump“) in FT. Über vage Hinweise auf die Notwendigkeit zur Wiederherstellung des Vertrauens hinaus kann aber keiner der Haushaltskonsolidierer erklären, wie die Kürzung der Staatsausgaben die Wirtschaft konsolidieren soll, wenn die privaten Ausgaben bereits depressiv sind.
Im Gegensatz dazu kann die keynesianische Theorie leicht erklären, warum es nicht geht. Der Staat ist, wie Keynes argumentiert, die einzige Behörde, welche einen Rückgang der Gesamtausgaben in einer Wirtschaft unter ein vernünftiges Beschäftigungsniveau verhindern kann. Wenn die privaten Ausgaben depressiv sind, kann der Staat die Gesamtausgaben auf einem vernünftigen Niveau wiederherstellen, indem er seine Ausgaben erhöht oder die Steuern senkt, erläutern Skidelsky und Kennedy weiter. Dabei ist das Defizit, das zunimmt, bereits (wegen der Rezession) die Folge von sinkenden Steuereinnahmen und steigenden Leistungen. Das Defizit hat die Funktion der Aufrechterhaltung der Gesamtausgaben und der Produktion (output) in einer Wirtschaft, halten die Autoren fest. Jeder Versuch, die Ausgaben zu kürzen, bevor eine starke Dynamik im privaten Sektor sich etabliert hat, wird die Sache verschlimmern. Sobald die Wirtschaft beginnt, zu wachsen, wird das Defizit, welches in der Rezession entstanden ist, sich automatisch auf das Vor-Rezession Ebene zurückbilden, argumentieren Skidelsky und Kennedy. Gezielte Schritte zur Beseitigung des strukturellen (d.h. nicht Rezession induzierten) Defizits sollten vertagt werden, bis die wirtschaftliche Erholung sich fest verankert. Mit einem ausgeglichenen Haushalt oder sogar einem Haushalt im Überschuss, mit einem hohen Beschäftigungsniveau wird ein weiteres Wachstum die Staatsverschuldung als Prozentsatz des BIP verringern, genau so wie es nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geschehen ist. In keynesianischer Theorie sind Geld- und Fiskalpolitik Teile eines einzigen Prozesses, nicht Alternativen, halten die Autoren fest. In den früheren Stadien mag Geld geschaffen worden sein, um das Defizit zu finanzieren. Die Geldausgaben erzeugen jedoch zusätzliche Ersparnisse („extra saving“), die erforderlich sind, um die Investitionen zu „zahlen“. Der Anstieg des Volkseinkommens steigert öffentliche Einnahmen, was wiederum verhilft, das Defizit zu reduzieren, erläutern Skidelsky und Kennedy.
Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht stellt das Defizit keine Last für die künftigen Generationen dar. Es gibt keine Rückzahlungslast, weil der Staat im Gegensatz zu Privatpersonen, normalerweise ihre fälligen Schulden durch Krediaufnahme bedienen kann. Der letzte Ausweg ist Gelddrucken.
Die keynesianische Theorie widerspricht der Trichet-Doktrin, dass die privaten Ausgaben deswegen depressiv sind, weil Ängste über die Nachhaltigkeit oder künftige Kosten des Defizits bestehen. Die richtige kausale Erklärung ist, dass die privaten Ausgaben gedrückt sind, weil die Gesamtnachfrage in der Wirtschaft depressiv ist. Das Defizit ist die Folge, nicht die Ursache, von depressiven Geschäftserwartungen der Unternehmen.
Michael Kennedy, ein ehem. Berater beim Schatzamt, und Lord Skidelsky ist Professor emeritus an der Warwick University.
1 Kommentar:
Der Abschwung ist doch vorbei. Wo sind wir denn aktuell? Irgendwo nach dem Abschwung, vor dem Aufschwung? Oder?
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