Der Baltic Dry Index (BDI), der international als Indikator für die Raten von Trockenfrachten anerkannt ist, ist jüngst um 60% eingestürzt. Die Frachtraten bilden sich zurück. Der Index hat, wie Izabella Kaminska von FT Alphaville berichtet, 35 Tage in Folge an Wert verloren. Ist das Frachtgeschäft zum Stocken gekommen? Nun werden Stimmen laut, dass der Index kein gültiger Indikator für die (künftige) Entwicklung der Weltkonjunktur ist. Erstmals seit 1985 ist der BDI im Juni in 20 separaten Handelstagen gefallen. Allerdings ist es so, dass kein anderer Monat Anspruch auf eine schlechtere Bilanz erheben kann wie der Juni. Der Monat Juni zeigt über mehrere Jahre hinaus eine rückläufige Tendenz. Das ist offenbar darauf zurückzuführen, dass der Capemax-Sektor von allen drei grossen Schiff-Klassen (Handysize und Panamax), die vom Index erfasst werden, im II. Quartal eine besonders starke Tendenz zum Rückfall aufweist, v.a. wegen der Abhängigkeit auf nur eine Handvoll wichtige Rohstoffe. Statistisch gesehen sinkt das Handelsvolumen von Eisenerz auf Monats-zu-Monats-Basis am grössten im II. Quartal. Tatsächlich sind die chinesischen Einfuhren an Eisenerz im Juni im dritten Monat in Folge gesunken.
Baltic Dry Index (BDI), Graph: Bloomberg.com
Der BDI als Preisindex misst die Raten für Trockenfrachten in der Seeschifffahrt auf 22 Standardrouten. Bei Frachtraten handelt es sich aber nicht nur um Erze und Metalle, sondern auch um Kohle, Getreide und Ölsaaten (die sog. Schüttgüter). Während auf der Nachfrageseite des BDI Produzenten und Importeure sind, befindet sich auf der Angebotsseite des BDI die Anzahl Schiffe. Die Schiffe sind jedoch unterschiedlicher Grösse. Und die Reichweite der Schiffe hat erhebliche Differenzen. Panamax sind Schiffe (Frachtkapazität: 60'000 bis 80'000 dwt), die den Panamakanal befahren können. Capemax sind Schiffe (Frachtkapazität: über 100'000 dwt), die zu gross sind, um den Panamakanal zu passieren. Handymax sind Frachter mit Ladekapazität von 45'000 bis 59'000 dwt (dead weight, d.h. maximal zulässige Ladefähigkeit eines Schiffes in Tonnen). Auf der Angebotsseite gibt es laut Analysten einen Anstieg der Bestellungen für neue Frachtschiffe in den Jahren 2007 und 2008. Die extrem hohen Frachtraten haben die Reedern animiert, neue Schiffe zu bestellen. Da es zwei bis drei Jahre dauert, ein Schiff zu bauen, kann es sein, dass das Angebot im Markt gerade jetzt zunimmt. Zudem wurden inzwischen viele ehemalige Öltanker zu Trockenfrachtern umgebaut. Es sei daher vorstellbar, dass der BDI in diesem Jahr weiter fällt, selbst wenn sich die Rohstoffpreise erholen sollten. Es sei denn, ein entsprechender Anstieg der Nachfrage nach Schifffahrt gleich die Zunahme an Angebot mehr als aus. Die Idee, den BDI als Frühindikator zu betrachten, könnte zwar einen logischen Sinn ergeben, aber die tatsächliche Erfolgsbilanz des Index fällt ziemlich schlecht aus, schreibt Julian Jessop von Capital Economics in seiner Studie (sorry, no link). Der Index schwanke rauf und runter zur gleichen Zeit wie globale Rohstoffpreise. Das ist kaum aufschlussreich, so Jessop. Grundsätzlich gebe es zwei Gründe, Vorsicht walten zu lassen, wenn man auf der Grundlage von BDI über Rohstoffe befinden will: (1) Schwankungen im Index können durch die Änderungen der Versorgung bei der Schifffahrt sowie in der zugrunde liegenden Nachfrage nach Rohstoffen auf dem Seeweg ausgelöst werden. Der BDI kann beispielsweise eine Zunahme an verfügbaren Schiffen für den Transport von Trockenschüttgut widerspiegeln, und (2) der BDI könnte durch vorübergehende Schliessung von Häfen, Änderungen bei den Kosten für Benzin und Versicherung verzerrt werden.
Ferner: Über eine lange Zeit gab es eine Korrelation (0,5%) zwischen dem BDI und dem S&P-500 Index. Im Jahre 2009 haben sich der Aktien-Index und der Baltic Dry Index in entgegengesetzte Richtungen entwickelt. Es hat sich im Vorjahr zumindest in den ersten fünf Monaten eine negative Korrelation von 0,4% ergeben, erklärt research reloaded. Während der BDI die Entwicklung der Frachtraten weltweit misst, es also dabei um Kosten geht, stellt die Aktie das Eigentum eines Unternehmens (i.d.R. als produktiven Vermögenswert) dar. Ein Unternehmen sucht nach Wegen, zu wachsen, seinen Wert zu steigern. Beim BDI ist hingegen davon auszugehen, dass die Kosten des weltweiten Verschiffens von Trockenschüttgut auf einer realen Grundlage des menschlichen Fortschritts sinken sollten. Vernünftige Gründe sprechen also dafür, die Preisentwicklung für den Seetransport von Trockenschüttgut gemessen am BDI nicht überzubewerten.
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