Freitag, 2. Juli 2010

Fiscal Austerity-Mythen

„Als ich jung und naiv war, glaubte ich, dass wichtige Leute ihre Positionen auf sorgfältige Abwägung aller Optionen basieren lassen. Jetzt weiss ich es besser. Vieles von dem, woran „Seriöse Menschen“ glauben, auf Vorurteilen beruht, nicht auf Analysen. Und diese Vorurteile unterliegen Ticks und Modeerscheinungen“ bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Freitagskolumne („Myths of Austerity“) in NYT. Es geht um das Thema „Fiscal Austerity“. Es ist irgendwie eine gängige Meinung geworden, dass jetzt Zeit ist, Staatsausgaben zu kürzen, trotz der Tatsache, dass die weltweit wichtigsten Volkswirtschaften tief deprimiert bleiben, argumentiert Nobelpreisträger. Die gängige Meinung beruht weder auf Beweise noch auf Analyse. Es ist reine Spekulation. Ausgeburten der Phantasie der politischen Elite. Ein spezieller Glaube an unsichtbare Bond Vigilantes, beschreibt Krugman. Die Befürworter der Austerität behaupten, dass (a) die Bond Vigilantes im Begriff sind, die USA zu anzugreifen, und (b) mehr Staatsausgaben sie auf den Plan rufen werde. „Ja, Amerika hat ein langfristiges Haushaltsproblem. Was wir aber in den nächsten Jahren tun werden, hat fast keinen Einfluss auf unsere Fähigkeit, die langfristigen Probleme zu bewältigen, ist der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor überzeugt.

Douglas Elmendorf, Direktor des CBO hat es kürzlich formuliert: „Es gibt keinen inneren Widerspruch zwischen der Schaffung von zusätzlichen Konjunkturmassnahmen heute, während die Arbeitslosigkeit hoch verläuft und viele Betriebe und Büros unterausgelastet sind, und einer imposanten restriktiven Fiskalpolitik in einigen Jahren, wo Produktion und Beschäftigung wahrscheinlich in der Nähe ihres Potenzials liegen werden“. Vor drei Monaten wurde ein leichter Aufwärtstrend in langfristigen Zinssätzen hysterisch begrüsst. „Die Angst vor Staatsverschuldung schickt die Preise nach oben“, lautete die Schlagezeile in WSJ, obwohl es keine wirklichen Beweise dafür gab. Alan Greenspan, der ehem. Fed-Chef redete von „ Kanarienvogel im Bergwerk“, erinnert Krugman. Seitdem fallen die Zinsen wieder. Die Befürworter der fiskalischen Sparmassnahmen werden jetzt erneut versichern, dass die Bond Vigilanten jeden Tag angreifen werden, wenn wir die Staatsausgaben nicht sofort senken. Die Idee, dass Sparmassnahmen eine Stagnation auslösen könnten, ist falsch, sagte Jean-Claude Trichet, der EZB-Präsident kürzlich in einem Interview. Warum? Weil vertrauenserweckende Massnahmen die Wirtschaft fördern, und verhindern wirtschaftliche Erholung nicht. Was ist aber der Beweis für den Glauben, dass kontraktive Fiskalpolitik expansiv wirkt? Weil es das Vertrauen verbessert? Die Fälle, in denen Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen Wirtschaftswachstum folgte, sind anders verlagert. Sie bedürfen einer eingehenderen Prüfung, erklärt Krugman. Und aktuelle Beispiele von fiskalischen Sparmassnahmen sind alles andere als ermutigend. Siehe Fall Island.

Fazit: "Nächstes Mal, wenn Sie hören, wie ernst klingende Menschen von der Notwendigkeit von Sparmassnahmen reden, dann versuchen Sie ihre Argumentation zu analysieren. Sie werden feststellen, dass das, was wie nüchterner Realismus klingt, tatsächlich auf einem Fundament von Phantesie beruht, aus der Überzeugung, dass unsichtbare Bond Vigilantes uns bestrafen würden, wenn wir schlecht sind und das Vertrauen der Märkte uns belohnen wird, wenn wir gut sind“, hält Krugman spöttisch fest.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Dazu ein paar Gegenfragen:

Was ist der Beweis dafür, dass deficit spending langfristig zu eigenständigem Wirtschaftswachstum führt, das auch dann noch anhält, wenn das Defizit zurückgeführt wird bzw. vielleicht sogar Staatskredit zurückgezahlt? (Das wäre mal ein Novum).
Wann hat deficit spending in großem Stil jemals zu selbständigem Wachstum? In Japan funktioniert es seit 20 Jahren nicht. Und das historisch rekordverdächtige defizit spending der letzten 2 Jahre weltweit hat ja bisher anscheinend auch noch nicht dazu geführt, dass die Wirtschaft auf eigenen Beinen stehen kann.

Wann ist die Schuldengrenze erreicht, bei der eingestanden werden muss, dass deficit spending nicht weitergehen kann (unabhängig von der konjunkturellen Lage), weil das Risiko, zu realistischen Zinssätzen keine weiteren Finanzierungen am Markt zu erhalten und somit das Konkursrisiko des Staats, zu groß wird? (s. Griechenland). Noch sind die Zinsen niedrig, dass stimmt. Aber man sollte doch spätestens fünf vor zwölf aufhören, bevor der völlige Vertrauensverlust eintritt, aber wann ist das?
Es ist einfach immer nach der Geldspritze auf Pump zu schreien, die Probleme in die Zukunft zu verlagern und zu behaupten, wir könnten die Defizite zurückführen, wenn es die Wirtschaftssituation es zulässt, ohne zu erklären, wie die Exit Strategie aussieht, wenn es nicht funktioniert. Kredit muss irgendwann zurückgezahlt werden! Wann ist das Limit erreicht?

In dem Rahmen sind folgende statistische Daten der größten Wirtschaftsnation ganz interessant

http://www.investmentpostcards.com/2010/06/28/how-to-keep-america-1/?utm_source=feedburner&utm_medium=email&utm_campaign=Feed%3A+wordpress%2FVYxj+%28Investment+Postcards+from+Cape+Town%29)

Was passiert, wenn das Schuldenlimit von einem großen Wirtschaftsplayer und nicht nur vorn Griechenland und Island überschritten wird? Riskieren wir dann nicht weit als die Rezession, vor der alle Schreier nach weiteren Konjunkturpaketen auf Pump so warnen? Sollten wir das wirklich riskieren?

Im Poker nennt man das "All in"