Buchbesprechung:
Richard S. Grossman: Wrong. Nine Economic Policy Disasters and What We Can Learn From
Them. Oxford University Press,
Oxford, New York, 2014.
Es wäre nicht übertrieben, die Subrime-Krise
angesichts der schweren Nachwirkungen und der Zeitdauer als die schwierigste
ökonomische Herausforderung für die industrialisierte Welt in den vergangenen 100
Jahren zu bezeichnen.
Es war sicherlich kein Zufall,
dass Lehman Brothers, die viertgrösste US-Investmentbank eingestürzt ist. Die ganze
Entwicklung hat mit schlechter Wirtschaftspolitik, die ideologisch geprägt ist,
zu tun . Man denke zum Beispiel an die tatkräftige Deregulierung und die mangelhafte
Aufsicht des Finanzmarktes. Im
Mittelpunkt stand das Dogma der neo-klassischen Lehre: „Staat ist Problem –
Markt ist Lösung“.
Richard Grossman erläutert in diesem Sinne einige der schlimmsten
wirtschaftspolitischen Fehlschläge in den letzten 200 Jahren. Es sind insgesamt
neun Fälle, die der Autor besonders hervorhebt:
Das Scheitern der britischen
imperialen Politik in Nordamerika,
Die erste und die zweite Bank der
USA,
Die irische Hungersnot,
Deutsche Reparationen nach dem
Ersten Weltkrieg,
Grossbritanniens Rückkehr zum
Goldstandard,
Smooth-Hawley Tariff Act (das im
Juni 1930 erlassene Gesetz in den USA, Zölle für 20‘000 Produkte auf
Rekordniveau anzuheben),
Japans verlorenes Jahrzehnt,
Die Suprime-Krise,
Der Euro.
Die Hauptschuldigen sind seiner
Ansicht nach die politischen Entscheidungsträger, die sich von der Ideologie
leiten lassen, anstatt sich auf wirtschaftliche Analyse zu stützen.
Entscheidungsträger, die auf eine bestimmte Idee zurückgreifen und diese als die
einzige Anleitung der Wirtschaftspolitik zugrunde legen, verursachen damit heftige Katastrophen für
die Menschen und Länder.
Die Grosse Hungersnot (1845-1852)
in Irland ist beispielsweise die eindrücklichste Geschichte im Buch.
Eine Million Menschen sind am Hunger gestorben, was 12% der irischen
Bevölkerung entspricht. Über eine Million Menschen emigrierten, um ihr Glück im
Ausland zu suchen. Die sozialen Folgen der Katastrophe blieben auch nach der
Hungersnot mehrere Jahre unverändert. Irland hat heute noch weniger Einwohner
als damals.
Die Kartoffelfäule, ausgelöst
durch eine bisher unbekannte Krankheit in Nordamerika, hat im Jahr 1842 die
Knollen zum Verfaulen gebracht. Die Ernte wurde mit der Zeit beinahe
vollständig zerstört. Die Politik, die sich auf die damals herrschende
Orthodoxie des laissez-faire berief,
hat sich zurückgehalten, um in das Geschehen der Wirtschaft möglichst nicht
einzumischen. Der Eingriff des Staates in den Markt für Nahrungsmittel wurde
als Verstoss gegen die marktwirtschaftlichen Grundsätze betrachtet.
Die dogmatische Verpflichtung zu
freien und ungehinderten Märkten machte es unmöglich, trotz des schweren Notfalls
wirksam einzugreifen und zu handeln. Die primäre Ursache war laut Grossman die
Whig Regierung von Lord John Russell, die aus Respekt auf den „funktionstüchtigen
Marktmechanismus“ auf die Einfuhr von Getreide verzichtete.
Ein zeitlich befristetes Verbot
des Exports von irischem Getreide und auch ein Verbot der Alkoholdestillationen
aus Lebensmitteln wurde nicht einmal in Erwägung gezogen. Aufgrund des
Armengesetzes (Poor Law) war es nicht
gestattet, direkte finanzielle Hilfe oder materielle Unterstützung an die
hungernden Menschen zukommen zu lassen. Die Staatsintervention war aus
ideologischen Gründen verpönt, sodass am Ende Millionen von Menschen vor die
Hunde gehen mussten.
Den Grossteil der Schuld für die
Subprime-Kernschmelze ordnet der an der Wesleyan
University lehrende Wirtschaftsprofessor der Fiskalpolitik der Bush
Regierung und der Geldpolitik der Fed unter Alan Greenspan zu. Präsident Bush hat am 3. August 2000
gesagt, dass der Überschuss im Haushalt bedeute, dass „Washington mehr Geld
ausgeben muss. Der Überschuss gehört Menschen“. Greenspans Festhaltung am
lockeren Kurs der Geldpolitik war weniger ökonomisch viel mehr ideologisch
geprägt, um dadurch seinem republikanischen Kumpel George W. Buch zur
Wiederwahl zu verhelfen.
Die Rückkehr Grossbritannien zum Goldstandard war eine Fehlentscheidung
mit fatalen Konsequenzen: Lohnkürzungen, Verlängerung der Arbeitszeit, hohe Arbeitslosigkeit,
Aufwertung des britischen Pfundes usw. Es war Churchill, der damalige britische
Finanzminister, der im April 1925 beschloss, zum Goldstandard, der 1914
ausgesetzt worden war, wieder zurückzukehren, und zwar zu Vorkriegsparität.
Keynes hatte davor gewarnt, dass die britischen Güter sich dadurch wesentlich
verteuern würden.
Die Rückkehr zum Goldstandard
wurde jedoch vorwiegend aus ideologischen Gründen beschlossen. Der Goldstandard
war synonym für Grossbritanniens
ökonomische und militärische Vorherrschaft im 19. Jahrhundert. Die
Wiederherstellung des Goldstandards wurde daher als Versprechen zurück zur der
Zeit der Unbesonnenheit angesehen, was durch Londons Finanzkrise auch energisch
unterstützt wurde.
Was lernen wir daraus?
Es ist schwer, die Quelle der
politischen Fehler zu identifizieren, weil die Entscheidungen, die dabei
getroffen werden, selten nur auf der Grundlage der wirtschaftlichen Vorzüge
beruhen. Dazu kommt, dass einige komplizierte Faktoren auch eine Rolle spielen.
Die von Grossman in diesem Buch
analysierten politischen Fehlschritte stammen zum grossen Teil aus
ideologischen Verpflichtungen, die überholt oder grundsätzlich makelbehaftet sind.
Eine weitere wichtige Quelle der Fehlentscheidungen ist der Einfluss der Sonderinteressen,
oder nationalistische Interessen, die Kosten auf die Ausländer zu verlagern.
Die in diesem Buch diskutierten
Episoden wurden häufig durch übermässige Verzögerungen entweder in Bezug auf
die Implementierung einer vorteilhaften Politik oder in der Auflösung eines
politischen Fehlers verschärft. Die wichtigste Lehre ist, die politischen
Vorhaben zurückzuweisen, die in erster Linie auf Ideologie basieren.
Wie können wir aber wissen, wann
ökonomische Ideen veraltet und überholt sind? Autors Antwort lautet, dass wir
es nicht wissen können. Aber es gibt eine Anzahl von analytischen Instrumenten,
die eine Abhilfe schaffen können. Theoretische und empirische Modelle können
helfen, die Konsequenzen der beabsichtigten Politik vorauszusagen und die
Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Elementen in der Wirtschaft zu
verstehen.
Das Buch ist ausgezeichnet
geschrieben und sprachlich vorbildlich gestaltet. Für alle, die den Einfluss
der Wirtschaftspolitik mit allen Folgen auf die Menschen und Länder verstehen
wollen, ist es ein unverzichtbares Meisterwerk.
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