Freitag, 10. Januar 2014

Armutsbekämpfung in den USA – Eine neue Vorlage

Fünfzig Jahre sind vergangen, seit Lyndon Johnson Krieg gegen die Armut erklärte. Für eine lange Zeit „wusste“ jeder, dass der Krieg gegen die Armut ein erbärmlicher Fehlschlag gewesen ist, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The changing politics of poverty“) am Freitag in NYTimes.

Und sie wussten, warum: es war die Schuld der Armen selbst. Aber was jeder wusste, war nicht wahr, und die Öffentlichkeit scheint sich nun gefangen zu haben, unterstreicht der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die Erzählung ging etwa so: Armut war im Grunde genommen ein soziales Problem; ein Problem der zerbrochenen Familien, der Kriminalität und eine Kultur der Abhängigkeit, die durch staatliche Hilfe nur verstärkt wurde. Und weil diese Erzählung allgemein akzeptiert wurde, war es eine gute Politik, die Schuld den Armen in die Schuhe zu schieben (bashing the poor).

Doch die Sicht der Armut, die in den 1970er Jahren einige Wahrheit mag beinhaltet haben, hat keine Ähnlichkeit mit allem, was da seither geschehen ist, erläutert Krugman weiter.

Eine Sache ist, dass der Krieg gegen die Armut in der Tat eine ganze Menge erreicht hat. Die Evidenz deutet auf eine grosse Verbesserung im Leben von Amerikas Armen hin.

Und wenn Fortschritte gegen die Armut dennoch enttäuschend langsam erfolgen, liegt es nicht an Armen. Das Problem der Armut wurde zu einem Teil des umfassenden Problems der steigenden Einkommensungleichheit. Wie soll nun darauf reagiert werden?

Die konservative Position ist im Wesentlichen, dass wir gar nicht darauf reagieren. Konservative behandeln Empfänger eines Sicherheitsnetz-Programms, wie wenn sie eine Cadillac fahrende Wohlergehen-Königin wären. Warum? Die Position der Konservativen war schliesslich ein politischer Treffer, weil die Mittelklasse Amerikaner „Wohlfahrt“ als etwas sehen, was nur „diese Leute“ haben, aber nicht sie.

Aber das war damals. An diesem Punkt ist der Aufstieg der 1% auf Kosten von allen anderen so offensichtlich, dass es heute nicht mehr möglich ist, jede Diskussion über die wachsende Ungleichheit mit dem Ruf nach „Klassenkampf“ zu beenden, so Krugman.

Inzwischen wurden viel mehr Amerikaner von harten Zeiten gezwungen, sich an Sicherheitsnetz-Programme zu wenden. Dass die Konservativen einen ständig wachsenden Anteil der Bevölkerung als moralisch unwürdige „Nehmer“  (taker) beschreiben, zeigt, wie hartherzig und kleinlich sie geworden sind.

Mittlerweile gehen die Progressive in die Offensive. Sie haben beschlossen, dass die Ungleicheit politisch ein Treffer ist. Sie sehen den Krieg gegen die Programme für die von der Armut betroffenen Menschen (wie z.B. Lebensmittelmarken, Medicaid, EITC) als Erfolgsgeschichten. Und wenn diese Programme eine zunehmende Anzahl von Amerikanern umfassen, was soll’s?

An seinem 50. Jahrestag sieht der Krieg gegen die Armut wie ein Fehlschlag aus. Doch, es sieht stattdessen nach einer Vorlage für eine steigende, Zuversicht vermittelnde progressive Bewegung aus, hält Krugman als Fazit fest.


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