Sonntag, 19. Januar 2014

Arbeitslosigkeit im Licht von Wirtschaftsmodellen

Paul Krugman wird wegen seines Aufrufs für eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes in einem seiner Lehrbücher Scheinheiligkeit  vorgeworfen.

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor schreibe dort, dass grosszügige Arbeitslosengelder sowohl die strukturelle als auch die friktionelle (*) Arbeitslosigket steigern können.

Chris Dillow bemerkt dazu, dass Krugman von dem Vorwurf befreit werden kann, wenn wir erkennen, dass die Wirtschaft nicht wie Naturwissenschaften funktioniert, wo die Theorien nicht universell anwendbar sind, sondern nur örtliche und zeitliche Gültigkeit haben.

„Lehrbuch Krugman“ hat in normalen Zeiten recht, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage besonders hoch ist. In einem solchen Fall kann der Anreiz, gegeben durch niedrige Arbeitslosengelder, die friktionelle Arbeitslosigkeit (Koexistenz der offenen Stellen und Arbeitslosigkeit) verringern und damit die Produktion (output) erhöhen und die Inflation reduzieren.

Aber wir befinden uns zur Zeit nicht in „normalen Zeiten“. Es könnte gut sein, dass die Nachfrage nach Arbeitskräften ungewöhnlich schwach ist. Die niedrige Inflation und die Erwerbsquote (**) legen dies nahe. In dieser Welt geht es nicht darum, die friktionelle Arbeitslosigkeit zu verringern, sondern darum, „keynesianische Arbeitslosigkeit“ zu reduzieren.

Und eine Erhöhung der Arbeitslosengelder (sofern sie als expansive Fiskalpolitik erfolgen) dazu beitragen. Wenn „Kolumnist Krugman“ sagt, dass eine verbesserte Arbeitlosenversicherung tatsächlich Arbeitsplätze schafft, wenn die Wirtschaft schwer angeschlagen (depression) ist, müssen hier die lezten fünf Worte betont werden.

Die Menschen zu veranlassen, eine Arbeit zu finden, wo nicht viele Arbeitsplätze verfügbar sind, kann tatsächlich schlimmer sein als sinnlos. Die Kürzung des Arbeitslosengeldes kann sogar Anreize erhöhen, Verbrechen zu begehen als eine regulären Arbeit nachzugehen.

Es ist also durchaus möglich, dass „Kolumnist Krugman“ und „Lehrbuch Krugman“ beide recht haben. Aber sie beschreiben unterschiedliche Beschaffenheiten der Welt. Und unterschiedliche Tatsachen erfordern unterschiedliche Modelle, fasst Dillow als Fazit zusammen.


(*)
Friktionelle Arbeitslosigkeit entsteht kurzfristig in jahreszeitlichen Nachfrageschwankungen (z.B. in Tourismus und Landwirtschaft) oder durch Stellenwechsel und durch den Suchprozess.

(**)
Erwerbsquote (Employment-Population Ratio) ist eine statistische Auswertung, die den Anteil der Bevölkerung im erwerbstätigen Alter zeigt, die eine Beschäftigung hat. Die Kennzahl wird verwendet, um die Fähigkeit der Wirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu bewerten.


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