Paul Krugman wird wegen seines Aufrufs für eine Verlängerung des
Arbeitslosengeldes in einem seiner Lehrbücher Scheinheiligkeit vorgeworfen.
Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor schreibe dort,
dass grosszügige Arbeitslosengelder sowohl die strukturelle als auch die
friktionelle (*) Arbeitslosigket steigern können.
Chris Dillow bemerkt dazu, dass Krugman von dem Vorwurf befreit werden kann, wenn wir
erkennen, dass die Wirtschaft nicht wie Naturwissenschaften funktioniert, wo
die Theorien nicht universell anwendbar sind, sondern nur örtliche und
zeitliche Gültigkeit haben.
„Lehrbuch Krugman“ hat in
normalen Zeiten recht, wenn die gesamtwirtschaftliche Nachfrage besonders hoch
ist. In einem solchen Fall kann der Anreiz, gegeben durch niedrige
Arbeitslosengelder, die friktionelle Arbeitslosigkeit (Koexistenz der offenen
Stellen und Arbeitslosigkeit) verringern und damit die Produktion (output) erhöhen und die Inflation reduzieren.
Aber wir befinden uns zur Zeit
nicht in „normalen Zeiten“. Es könnte gut sein, dass die Nachfrage nach
Arbeitskräften ungewöhnlich schwach ist. Die niedrige Inflation und die Erwerbsquote (**) legen dies nahe. In dieser Welt geht es nicht darum, die
friktionelle Arbeitslosigkeit zu verringern, sondern darum, „keynesianische Arbeitslosigkeit“
zu reduzieren.
Und eine Erhöhung der
Arbeitslosengelder (sofern sie als expansive Fiskalpolitik erfolgen) dazu
beitragen. Wenn „Kolumnist Krugman“ sagt, dass eine verbesserte
Arbeitlosenversicherung tatsächlich Arbeitsplätze schafft, wenn die Wirtschaft
schwer angeschlagen (depression) ist,
müssen hier die lezten fünf Worte betont werden.
Die Menschen zu veranlassen, eine
Arbeit zu finden, wo nicht viele Arbeitsplätze verfügbar sind, kann tatsächlich
schlimmer sein als sinnlos. Die Kürzung des Arbeitslosengeldes kann sogar
Anreize erhöhen, Verbrechen zu begehen als eine regulären Arbeit nachzugehen.
Es ist also durchaus möglich,
dass „Kolumnist Krugman“ und „Lehrbuch Krugman“ beide recht haben. Aber sie
beschreiben unterschiedliche Beschaffenheiten der Welt. Und unterschiedliche
Tatsachen erfordern unterschiedliche Modelle, fasst Dillow als Fazit zusammen.
(*)
Friktionelle Arbeitslosigkeit
entsteht kurzfristig in jahreszeitlichen Nachfrageschwankungen (z.B. in Tourismus
und Landwirtschaft) oder durch Stellenwechsel und durch den Suchprozess.
(**)
Erwerbsquote (Employment-Population Ratio) ist eine statistische Auswertung, die den Anteil
der Bevölkerung im erwerbstätigen Alter zeigt, die eine Beschäftigung hat. Die Kennzahl wird verwendet, um die Fähigkeit der
Wirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen zu bewerten.
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