Mittwoch, 2. November 2011

MF Global und leveraged trades im Repo-Geschäft

Das amerikanische Finanzunternehmen MF Global hat am Montag Gläubigerschutz nach „Chapter 11“ beantragt. Es handelt sich dabei um die achtgrösste Pleite eines börsenkotierten Unternehmens in den USA. Im Vorfeld des Insolvenzantrags wurde über undurchsichtige Buchführung und Ungereimtheiten auf Kundenkonten als Grund für die Pleite spekuliert. Es ist von einem Fehlbetrag zwischen 700 Mio. $  und 1 Mrd. $ bei Kundenkonten am Terminmarkt die Rede. Die amerikanischen Behörden haben inzwischen Ermittlungen eingeleitet.

Der US-Wertpapierhändler hat eine 200 Jahre alte Geschichte, die auf eine britische Tradingfirma in London zurückgeht. Das von dem früheren Goldman Sachs Chef Jon Corzine geführte Handelshaus ist nicht in erster Linie im Geschäft von An- und Verkauf von Aktien und/oder Anleihen tätig, sondern darauf fokussiert, Investoren, die auf Wetten auf Aktien und Anleihen abschliessen, zu beraten, indem es sog. Futures-Kontrakte verkauft. MF Global ist aber auch nicht auf den Handel mit Credit Default Swaps (CDS) spezialisiert, wie Stephen Gandel im Blog von Time erläutert.

Seit März 2010 stürzt Corzine, der ehemalige Gouverneur von New Jersey das Unternehmen in das Geschäft mit Eigenhandel (proprietary trading). Besonders hohe Wetten hat das Handelshaus um Staatsanleihen aus der Eurozone (einschliesslich Griechenlands, Italiens, Portugals) mit Leverage abgeschlossen. Hinter dem Ansatz stand Corzines Überzeugung, dass die Kernländer die Länder an der EU-Peripherie nicht im Stich lassen würden. Das Problem lag jedoch darin, dass MF Global die Anleihen nicht direkt gekauft, sondern sich das Geld dafür geliehen hat (leveraged trades).

Es handelt sich dabei um komplexe Liquidity-Management Trades, wie Felix Salmon in seinem Blog beschreibt. Die Bank selbst erklärt die Trades so, dass der Kauf von Staatsanleihen aus der Eurozone „repo“ (repurchase) und „reverse repo Transaktionen bis Fälligkeit“ (reverse repurchase to maturity) einschliesst, welche als „Verkauf“ verbucht werden. Das repo-to-maturity Geschäft ist ein klassisches Repo Trading, wo der Abschluss des Repo-Geschäftes mit der Fälligkeit der entsprechenden Anleihe im Repo zusammenfällt.

Wertpapierhändler hatten bisher die Kreditaufnahme auf ungesicherter Basis abgewickelt. In den vergangenen Jahren hat sich die Praxis jedoch verändert. Wenn z.B. MF Global Darlehen in Milliarden US-Dollar Höhe aufnehmen will, muss es Sicherheiten (collateral) hinterlegen.

Das Trading läuft wie folgt ab: Der Zinssatz, zu dem das Handelshaus Darlehen aufnimmt ist niedriger als die Kuponzahlungen, die aus den europäischen Staatsanleihen zufliessen. Da es sich um repo to maturity Geschäfte handelt, kann MF Global die Differenz als Profit verbuchen. Während also das Unternehmen die Kuponzahlungen der Staatsanleihen einsacken kann, muss sie nur weniger Zinsen für die geliehene Gelder zahlen.

Es gibt jedoch zwei hauptsächliche Risiken: (1) Zahlungsunfähigkeit (default), was die Anleihen betrifft und (2) das Liquiditätsrisiko. Wenn diejenigen Marktteilnehmer, die an MF Global Geld leihen, kalte Füsse bekommen, dann fordern sie mehr Sicherheiten. Als die Gegenparteien, die in Repo-Trades mit der Laufzeit 2012 involviert waren, mehr Sicherheiten forderten, geriet MF Global in Schwierigkeiten. Vor diesem Hintergrund hat Corzine verzweifelt nach einem Käufer für seine Firma gesucht. Da die potenziellen Käufer auf einen Fehlbetrag in den Büchern von MF Global gestossen sind, haben sie sich vom Deal zurückgezogen. GM Global blieb dann nichts anders übrig, als Gläubigerschutz zu beantragen.

Der Fall MF Global ist vom Dodd-Frank Act nicht erfasst, weil (a) die Finanzrefom  bisher nur zu 10% umgestzt wurde und (b) das Gesetz sich auf Finanzunternehmen mit Vermögenswerten über 50 Mrd. $ bezieht. MF Global, welches über Vermögenswerte in Höhe von 41 Mrd. $ verfügt, gilt m.a.W. nicht als „systemrelevant“ (nicht too big to fail) und darf scheitern. Es muss daher nicht gerettet werden.

Exkurs:


Beim Repo nimmt der eine Vertragspartei Geld (Darlehen) auf, und zahlt es am Ende der vereinbarten Laufzeit mit Verzinsung zurück.  Dieselbe Vertragspartei kauft zugleich auch das dafür als Sicherheit hinterlegte Wertpapier (Bond) zurück.

Beim Reverse Repo ist es so, dass die eine Vertragspartei Geld (Darlehen) gewährt, und als Sicherheit ein Wertpapier (Bond) entgegennimmt. Am Ende der vereinbarten Laufzeit bekommt sie das Geld mit Verzinsung zurück und gibt das Wertpapier wieder an die andere Vertragspartei ab.

Kurzum: Was aus Sicht des Verkäufers Repo ist, ist aus Sicht des Käufers Reverse Repo.

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