Die europäischen Banken haben beim heutigen Tender (MRO eine Woche) 230,3 Mrd. Euro zu einem festen Zinssatz von 1,25% aufgenommen, was Zufluss einer zusätzlichen Liquidität von 35,5 Mrd. Euro für das Finanzsystem bedeutet. Die Gesamtliquidität ist damit im System auf 687 Mrd. Euro geklettert. Das ist der höchste Wert seit Juli 2010.
Nach der heutigen Zuteilung der Liquidität durch die EZB erwarten Analysten von Morgan Stanley eine Überschussliquidität in Höhe von 280 Mrd. Euro. Die EZB dürfte mit Depozitfazilitäten die SMP-Käufe (SMP: Securities Market Programme) wie gewohnt wieder sterilisieren.
Die hohe Zuteilung dürfte damit zusammenhängen, dass die Marktteilnehmer im Interbankenmarkt für den Handel mit italienischen Staatsanleihen mehr Sicherheit (collateral) hinterlegen müssen. Das Abwicklungshaus LCH Clearnet SA hat nämlich vergangene Woche die Mindestdeckungsanforderungen (margin calls) für die Banken im Handel mit italienischen Staatspapieren erhöht, was im Grunde genommen die Refinanzierungsposition von einigen Marktteilnehmern verschlechtert.
EZB: Liquiditätskomponente versus EONIA, Graph: Elaine Lin und Calvin Tse, Morgan Stanley
Die europäischen Banken, die sich das Geld zu 1,25% bei der EZB beschaffen, parken es zu 0,50% (Einlagenfazilität) wieder bei der EZB, weil sie sich gegenseitig nicht vertrauen. Die Banken nehmen also einen erheblich Zinsverlust bewusst in Kauf, um auf Nummer sicher zu gehen. Das ist ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Eurozone immer noch in einer Liquiditätsfalle steckt.
Von einer Inflationsgefahr kann in diesem Marktumfeld daher keine Rede sein, weil überall Überkapazitäten vorherrschen, der Schuldenabbau (deleveraging) anhält und die Arbeitslosigkeit v.a. an der EU-Peripherie hoch verläuft. Die EZB muss wie die Fed eine ausserordentlich expansive Geldpolitik weiter verfolgen. Die US-Notenbank will bekanntlich die Leitzinsen bis Mitte 2013 in der Spanne von Null bis 0,25% belassen.
PS:
Das Hauptrefinanzierungsgeschäft der EZB heisst MRO (main refinancing operation). Das wichtigste geldpolitische Instrument wird wöchentlich mit einer Laufzeit von einer Woche als Standardtender durchgeführt.
Die langfristige Refinanzierungsgeschäfte der EZB heissen LTRO (longer-term refinancing operations).
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