James Hamilton erklärt in einem lesenswerten Beitrag in seinem Blog die grundlegenden Mechanismen der Zahlungsunfähigkeit in Bezug auf die Staatsanleihen.
Wenn Sie sich 1$ zu einem Zinssatz von 5% leihen, verschulden Sie im nächsten Jahr 1,05$. Wenn Sie den Kredit nicht zurückzahlen und verlängern (rolling over), dann verschulden Sie am Ende des kommenden Jahres 1,10$. Es ist schwer, wie dieses Spiel ewig so weitergehen kann, auch wenn es sich beim Kreditnehmer um einen Staat handelt, erläutert der an der University of California, San Diego lehrende Wirtschaftsprofessor.
Ein kritischer Parameter ist die BIP-Wachstumsrate. Wenn die BIP-Wachstumsrate grösser ist als der Zinssatz (d.h., dass das nominale BIP schneller als 5% wächst, in unserem Beispiel), dann würden die Kreditschulden immer noch als Prozent des BIP schrumpfen. Ein Staat als Kreditnehmer dürfte unter diesen Umständen weiter Kreditgeber finden, auch wenn ein wachsender Kreditbetrag dabei verlängert (roll over) wird.
Wenn aber das BIP-Wachstum unter dem Zinsaufwand liegt, dann würden die Kreditschulden, die kontinuierlich verlängert werden, zu einem beliebigen grossen Vielfachen des BIP werden. Schliesslich würden Sie eventuell in eine logistische Restriktion hineingeraten, sodass es sich einfach nicht genug Geld in der Welt für so viele Schulden finden lässt. Sobald die Kreditgeber erkennen, wo der Prozess hinführt, wird der Staat es plötzlich schwieriger finden, die notwendige Summe an Kredit aufzunehmen.
Eurozone Staatsanleihen: Geschichte der Entwicklung der Risikoaufschläge, Graph: Pictet via FT Alphaville
Um zu verhindern, dass das geschieht, ist der Staat auf lange Sicht gezwungen, einen primären Haushaltsüberschuss aufzuweisen, d.h., dass die Einnahmen die Ausgaben (ohne Zinsaufwand) übersteigen, um in der Lage zu sein, etwas vom Primärüberschuss für Zinszahlungen zu nutzen. Je höher die Verschuldung, desto höher ist ein stabiler Primärüberschuss notwendig.
Griechenland: Staatsverschuldung in Prozent des BIP, Graph: Prof. James Hamilton in Econbrowser
Laut EZB-Daten belief sich die griechische Staatsverschuldung bereits auf 120% des BIP im Jahr 2008. Der Primärdefizit lag 2009 über 10% und beinahe 5% im Jahre 2010. Und der rasch steigende Zinsaufwand hat dazu geführt, dass Griechenlands Schulden 156% des BIP im Jahre 2010 betragen.
Und von dort ist es schwer, eine Geschichte mit einem Happy End zu erzählen, legt Hamilton dar. Auch wenn die Griechen die ausstehenden Schuldtitel zu 100% nicht bedienen würden (default), erfordern Bemühungen, den Primärhaushalt wieder ins Gleichgewicht zu bringen, erhebliche kontraktive Schritte. Und der Zahlungsverzug (default oder grosse haircuts) bedeutet hohe Kapitalverluste für griechische Banken und Pensionsfonds. Die Art von finanzieller Last kann die Verlängerung der meisten Kreditlinien unterbinden und eine brutale wirtschaftliche Kontraktion auslösen, hält Hamilton fest.
Nervöse Investoren beginnen nun, darüber zu spekulieren, ob Italien das nächste Land ist. Die Situation in Italien unterscheidet sich von Griechenland, mit viel bescheidenerem Primärhaushalt und einer Schuldenquote, die unter dem Wert von 1996 verläuft.
Italien: Staatsverschuldung in Prozent des BIP, Graph: Prof. James Hamilton in Econbrowser
Das pessimistische Kalkül in Italien wird eine sich langsamer entfaltene Drama, mit einer Entwicklung der anhaltenden Verlangsamung der Wachstumsrate des Landes, argumentiert Hamilton weiter. Da die Wachstumsrate von 3% auf 1% gesunken ist, wird es zunehmend problematisch, die Zinslast von 120% des BIP zu ertragen.
Die italienische Regierung war vor einem Jahr in der Lage, 10-jährige Anleihen mit einem Zinsaufwand von weniger als 3,8% zu verkaufen. Einige mögen argumentieren, dass diese niedrigen Zinssätze ein Signal aus dem Markt gewesen sind, dass die Chancen nicht so gross sind, dass Italien Griechenland folgt. Prof. Carmen Reinhart bemerkt dazu, dass es nicht die richtige Schlussfolgerung ist. Die Renditen sind tief, solange sie niedrig sind. Historisch gesehen können Veränderungen schnell erfolgen, wie wir im Fall von Italien beobachtet haben, legt Reinhart dar.
Gavyn Davies schreibt dazu in einem lesenswerten Beitrag („The Italian Job“) in seinem Blog in FT, dass die Nachhaltigkeit der Refinanzierung der italienischen Staatsschulden anfällig für Zinssprünge ist. Die durchschnittliche Duration der italienischen Schuldtitel beträgt 7 Jahre. Italien hat bis 2012 Staatspapiere in Höhe von 350 Mrd. Euro zu verlängern.
Mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von weniger als 2% und bei Zinsen von rund 6,5% müsste Rom einen Primärüberschuss von 5,5% des BIP erreichen, um die Staatsquote von 120% des BIP (Verschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung) zu stabilisieren.
Italien braucht also einen glaubwürdigen Plan. Woher soll aber das Geld kommen? „Im Moment ist die einzige Quelle eine Kombination von IWF und EFSF, die durch die Kreditaufnahme der EZB Impulse verleihen könnte. Das würde aber eine Belastung für die verfügbaren Ressourcen sowohl des IWF als auch der EFSF bedeuten“, hebt Davies hervor. Ausserdem stünde diese Massnahme mit der EZB-Orthodoxie im Widerspruch. Die Euro-Hardliner (Axel Weber, Jürgen Stark, Otmar Issing) wehren sich vehement dagegen. Auch Jens Weidmann, der Bundesbankpräsident lehnt die „lender of last resort“-Fazilität der EZB tatkräftig ab, wie er heute in einem Interview („Bundesbank warns against intervention“) mit FT zum Ausdruck bringt. Ohne aktive Beteiligung der EZB sieht die Aufgabe aber nicht lösbar aus.
1 Kommentar:
Axel Weber ist doch gar nicht mehr bei der EZB..?
Kommentar veröffentlichen