„Eine grosse Lücke klafft in der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten der Eurozone, einerseits wegen der Lohndumping-Politik Deutschlands und andererseits wegen des Lohnwachstums in Südeuropa, welches über dem Wachstum der Produktivität plus dem Inflationszielwert von 2% liegt“, schreiben Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker in einer lesenswerten (hat tip to NachDenkSeiten) Forschungsarbeit („The Euro – a Story of Misunderstanding“).
„Eine europaweite Koordinierung der Lohnpolitik ist der einzige Weg, um diese Lücke zu schliessen. Da jedoch die Löhne und die Wettbewerbsfähigkeit nicht ganz auf der Tagesordnung der verantwortlichen Politiker und ihrer Berater stehen, läuft die Zeit davon, den Euro zu retten“, bemerken Flassbeck, UNCTAD und Spiecker, Diplom Volkswirtin.
Lohnstückkosten (EWU: Europäische Währungsunion) treiben die Preise, Graph: Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker
Immer mehr Beobachter stellen die Lebensfähigkeit eines monetären Systems in Frage, mit absolut festen nominalen Wechselkursen, aber dramatisch divergierenden realen Wechselkursen und Realzinsen.
„Lohn- und Preisunterschiede sind der Kern des Übels in der Eurozone. In einer Welt mit einem absolut festen Wechselkurssystem oder in einem Währungsgebiet schaffen eine dauerhafte Abweichung der Preise und der Lohnstückkosten in einem Land von seinen wichtigsten Handelspartnern nachhaltige aussenwirtschaftliche Defizite und gefährden das wirtschaftliche Überleben der Währungsordnung, einschliesslich einer Währungsunion“, erklärten Flassbeck und Spiecker.
Divergenz in Lohnstückkosten öffnet eine riesige Lücke in der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EWU, Graph: Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker
Eine Währungsunion ist mit dem Einvernehmen über das Inflationsziel nahe von 2% muss die Lohnentwicklung in den Mitgliedsstaaten koordinieren. Das ist der Fall, weil die wichtigste Determinante der Inflation die Lohnstückkosten sind. Löhne und Lohnstückkosten bestimmen definitiv die Preise.
Doch die noch immer bestehenden Unterschiede in den Inflationsraten innerhalb der Währungsunion sind fatal, weil die Unterschiede in den Kosten und dem Preisniveau zwischen den Mitgliedsländern sich im Verlauf der Zeit ansammeln und reale Aufwertungen und Abwertungen der Wechselkurse erzeugen, oder m.a.W. eine nichthaltige Über- und Unterwertung für Währungen, die es nicht mehr gibt, heben die Autoren hervor.
Lösung der Euro-Krise: Konvergenz der Lohnstückkosten, Graph: Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker
"Leider ist der grundlegende Vorteil eines grossen Währungsgebiets wenig bekannt. Es wird in den Beschreibungen der Bretton-Woods-Ära gelegentlich erwähnt und als das „policy-domain problem“ bezeichnet".
"Das Problem ist, dass der geldpolitische Kurs weitgehend durch spezifische Bedingungen in der führenden Volkswirtschaft bestimmt wird. Im Europäischen Währungssystem vor 1999 war die Geldpolitik in der Tat von der Konjunktur des gesamten Bereichs der Wirtschaft bestimmt, aber nur auf die deutschen monetären Bedingungen konzentriert. Die Zinssätze der Zentralbanken innerhalb des Europäischen Währungssystems folgte im Grunde genommen der Geldpolitik des Ankerlandes Deutschland. In der Wirtschafts- und Währungsunion hingegen basiert der Umfang der EZB auf der wirtschaftlichen Entwicklung des ganzen Euroraums, wenn es um geldpolitische Entscheidungen geht. Diese breitere Perspektive sollte eine viel effektivere Geldpolitik ermöglichen".
„Es ist traurig, zu sehen, dass viele Regierungen noch immer fest davon überzeugt sind, dass der Euro aus rein politischen Gründen eingeführt worden sei. Wenn das politische Argument die wichtigste Säule ist, auf der die WWU gebaut wird, dann sind die Aussichten zur Rettung des Euro schlecht. Selbst Paul Krugman, der viele unserer Ansichten teilt, hat offenbar den zentralen Vorteil einer gemeinsamen Währung nicht begriffen“, schreiben Flassbeck und Spiecker.
„Krugman widmet keine einzige Zeile, um zu erwähnen, das ausserhalb des Bereiches von festen Wechselkursen wie in einer Währungsunion, nominale Zinsdifferenzen das wichtigste Einfallstor für Währungsspekulationen bilden“, argumentieren die Autoren weiter.
Die Kritik an Krugman scheint aber meines Erachtens nicht gerechtfertigt, da der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor öfters auf die „one-size-fits-all“ Problematik hingewiesen hat. Die EZB, die das gesamte Währungsgebiet nicht zur Grundlage der ihrer Zinsentscheidungen macht, hat vor ein paar Monaten die Zinsen für die Eurozone zweimal erhöht. Wie in den vergangenen Tagen bekannt wurde, ist das Wachstum in allen vier grossen Volkswirtschaften (Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien) ins Stocken gekommen. Die Wirtschaftsleistung stagniert also in der Eurozone. Das heisst laut Krugman, dass die EZB nicht einmal „one-size-fits-all“ Politik betreibt, sondern „one-size-fits-one“.
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