Was hat die Finanzkrise verursacht? Auf der 4. Tagung der Nobelpreisträger in Lindau wurde vergangene Woche klar, wie wenig Übereinstimmung es über die Antwort auf die angesprochene wichtige Frage gibt.
„Überraschend nur, dass die Finanzkrise auf der Konferenz, wo sich Nobelpreisträger in Wirtschaftswissenschaften mit jungen Ökonomen zusammengetroffen haben, nicht viel Aufmerksamkeit gezogen hat. In vielen Sitzungen über Makroökonomie und Finanzwesen wurde die Frage nicht einmal erwähnt. Wenn es endlich darüber diskutiert wurde, fielen die gemeldeten Gründe für die Finanzkrise querbeet aus“, schreibt Mark Thoma in einem lesenswerten Artikel („What Caused the Financial Crisis? Don’t Ask an Economist”) in The Fiscal Times.
Waren es Banken, die Fed, zu viel Regulierung, zu wenig Regulierung, Fannie und Freddie, Moral-Hazard-Problematik, schlechtes und absichtlich irreführendes Rechnungswesen, irrationaler Überschwang, fehlerhafte Modelle, Ratingagenturen? Wichtige Faktoren wie z.B. „Run auf Schatten Bankensystem“ wurden kaum angesprochen, bemerkt der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor.
Makroökonomische Modelle haben in den vergangenen Jahren nicht gut funktioniert. Die Modelle haben die Krise nicht vorherssagen können und sie gaben für die Politiker wenig Anleitung, beschreibt Thoma. Wenn die besten Ökonomen vom Beruf vier Jahre nach dem Ausbruch der Krise keinen Konsens darüber erzielen können, was die Krise ausgelöst hat, wie können die Probleme angegangen werden?
Wenn die einen sagen, es war zu viel Regulierung, und die anderen sagen, es war zu wenig Regulierung, wie ist es denn möglich, beide auf einmal zu tun?
„Wie können einige der besten Ökonomen vom Beruf zu solch unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen? Ein grosser Teil des Problems ist, dass Makroökonomen sich nicht auf ein einziges Modell der Wirtschaft einigen können. Und die verschiedenen Modelle liefern oft unterschiedliche, widersprüchliche Ergebnisse, wie die wirtschaftlichen Probleme zu lösen sind“, erklärt Thoma.
„Das Grundproblem ist, dass die Ökonomie keine experimentelle Wissenschaft ist. Wir verwenden historische Daten als experimentelle Daten und es ist möglich, mehr als ein Modell zu bilden, was die historischen Daten gleichermassen gut erklärt. Zeit und mehr Daten dürften uns ermöglichen, uns eines Tages auf ein bestimmtes Modell zu einigen. Aber solange dieses Problem vorhanden ist, werden Makroökonomen weiterhin gegensätzliche Ansichten vertreten und sich widersprechende Ratschläge erteilen“, bekräftigt Thoma.
Diese Kluft im Beruf erhöht auch die Möglichkeit, der Öffentlichkeit falsche oder irreführende Vorstellungen einer ideologischen oder politischen Agenda zu präsentieren. Wenn die Experten sich nicht einig sind, wie soll die Öffentlichkeit wissen, was sie glauben soll?
Die Öffentlichkeit hat nicht das Fachwissen, um politische Initiativen auf eigene Faust zu analysieren, sodass sie sich auf Experten verlassen, die ihnen helfen sollen. Aber wenn die Experten auf einer so grundlegenden Ebene uneins sind, kann die Öffenlichkeit nicht mehr daran vertrauen, was sie hört. Und das macht die Öffentlichkeit anfällig für Menschen, die für alle möglichen verrückten Ideen hausieren gehen“, fasst Thoma zusammen.
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