Freitag, 7. Februar 2014

Eurokrise und Ungleichgewichte im Aussenhandel

Die Meinungen sind geteilt. Was hat die Eurokrise ausgelöst? Unverantwortliche Haushaltsführung oder Ungleichgewichte im Aussenhandel? Die Evidenz legt nahe, dass die Euro-Krise nicht gleich Staatsschuldenkrise ist, sondern eine Folge der Finanzkrise.

Die steigenden Leistungsbilanzdefizite an der Peripherie und die Überschüsse im Kern der Eurozone waren die Anzeichen der makroökonomischen Ungleichgewichte, schreiben Jose Luis Diaz Sanchez und Aristomene Varoudakis in einem lesenswerten Artikel („Tracking the causes of Eurozone external imbalances: New evidence“) in voxeu.

Was hat aber innerhalb der Eurozone die Ungleichgewichte im Aussenhandel verursacht?

Die eine Ansicht betont das Wachstum der Binnennachfrage, angespornt durch die Integration der Finanzmärkte, die niedrigen Zinsen und das grössere Potenzial für die wirtschaftliche Konvergenz durch die Gemeinschaftswährung.

Die andere Diagnose hingegen konzentriert sich auf den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit an der Peripherie infolge des Lohnwachstums, welches mit dem zugrunde liegenden Trend der Produktivität nicht im Einklang stehe.

Die sich ausweitende Lücke zwischen Investitionen und Ersparnissen in der Peripherie stützt die erste Ansicht. Der stetige Anstieg der Lohnstückkosten und die Aufwertung des realen Wechselkurses hingegen untermauert die zweite Ansicht, heben die Autoren hervor.



Ungleichgewichte im Aussenhandel (gemessen am Leistungsbilanz-Saldo) in der Eurozone, Graph: Jose Luis Diaz Sanchez und Aristomene Varoudakis in voxeu: „Tracking the causes of Eurozone external imbalances: New evidence

Aufgrund eines panel-data Vector Autoregressive Models kommen die Autoren zum Schluss, dass die Ungleichgewichte im Aussenhandel in der EU-Peripherie bis 2008/09 hauptsächlich durch einen Anstieg der Binnennachfrage durch die Integration der Finanzmärkte und den daraus resultierenden Anstieg der Kredit- und intra-regionalen Kapitalflüsse ausgelöst wurden.

Die Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit der Peripherie hat dabei nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die schwere Kontraktion des Wachstums und der Anstieg der realen Zinssätze trugen dann seit 2009 zur Schrumpfung der aussenwirtschaftlichen Ungleichgewichte bei, unterstreichen  Sanchez und Varoudakis weiter.

Zudem betonen die Autoren mit Nachdruck die Rolle der Lohnstückkosten, die ja im Kern niedrig und in der Peripherie verhältnismässig hoch lagen, was dem Kern der EU zu Gute kam, aus dem kräftigen Anstieg der Nachfrage in den sog. Emerging Markets und insbesondere in China Kapital zu schlagen.


Ungleichgewichte und Lücke in Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone, Graph: Jose Luis Diaz Sanchez und Aristomene Varoudakis in voxeu: „Tracking the causes of Eurozone external imbalances: New evidence


Ferner legt die Evidenz nahe, dass die von der EU-Kommission auferlegte und insbesondere von Berlin geforderte Politik der internen Abwertung (internal devaluation) für die Peripherie kaum dazu taugt, die Ungleichgewichte im Aussenhandel abzubauen.

Die interne Abwertung (d.h. Senkung der Löhne und Preise) hat, wie die Autoren bemerken, zum Rückgang der Nachfrage in der Peripherie geführt, anstatt die aussenwirtschaftlichen Ungleichgewichte aufzuheben. Eine unbeabsichtigte Folge ist jedoch eine möglicherweise grosse Umverteilung von Einkommen auf Kosten der Lohnarbeiter in der EU-Peripherie.

Fazit:

Der Kern des Problems ist nicht die viel beschworene unverantwortliche Haushaltsführung in der Peripherie der Eurozone, sondern aussenwirtschaftliches Ungleichgewicht.

Die Austrian Doctrine bzw. das neoliberale Dogma (harsche Sparmassnahmen, Lohnkürzungen, Sozialabbau usw.) hat mit Austeritätspolitik viel zu viel menschliches Leid in Europa ausgelöst.

Die während der letzten drei Jahrezehnte vorherrschende neoliberale Politik hat viel mit dem aktuellen Dilemma zu tun, wie Joseph Stiglitz in einem gestern veröffentlichten Artikel („Stagnation by Design“) in Project Syndicate als Fazit festhält.

Keine Kommentare: