Die Meinungen sind geteilt. Was
hat die Eurokrise ausgelöst? Unverantwortliche Haushaltsführung oder
Ungleichgewichte im Aussenhandel? Die Evidenz
legt nahe, dass die Euro-Krise nicht gleich Staatsschuldenkrise ist, sondern
eine Folge der Finanzkrise.
Die steigenden
Leistungsbilanzdefizite an der Peripherie und die Überschüsse im Kern der
Eurozone waren die Anzeichen der makroökonomischen Ungleichgewichte, schreiben Jose Luis Diaz Sanchez und Aristomene Varoudakis in einem
lesenswerten Artikel („Tracking the
causes of Eurozone external imbalances: New evidence“) in voxeu.
Was hat aber innerhalb der
Eurozone die Ungleichgewichte im Aussenhandel verursacht?
Die eine Ansicht betont das
Wachstum der Binnennachfrage, angespornt durch die Integration der Finanzmärkte,
die niedrigen Zinsen und das grössere Potenzial für die wirtschaftliche
Konvergenz durch die Gemeinschaftswährung.
Die andere Diagnose hingegen konzentriert
sich auf den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit an der Peripherie infolge des
Lohnwachstums, welches mit dem zugrunde liegenden Trend der Produktivität nicht
im Einklang stehe.
Die sich ausweitende Lücke zwischen
Investitionen und Ersparnissen in der Peripherie stützt die erste Ansicht. Der
stetige Anstieg der Lohnstückkosten und die Aufwertung des realen Wechselkurses
hingegen untermauert die zweite Ansicht, heben die Autoren hervor.
Ungleichgewichte im Aussenhandel (gemessen am Leistungsbilanz-Saldo) in der Eurozone, Graph: Jose Luis
Diaz Sanchez und Aristomene Varoudakis in voxeu: „Tracking the causes of Eurozone external imbalances: New evidence“
Aufgrund eines panel-data Vector Autoregressive Models kommen die Autoren
zum Schluss, dass die Ungleichgewichte im Aussenhandel in der EU-Peripherie bis
2008/09 hauptsächlich durch einen Anstieg der Binnennachfrage durch die
Integration der Finanzmärkte und den daraus resultierenden Anstieg der Kredit-
und intra-regionalen Kapitalflüsse ausgelöst wurden.
Die Verschlechterung der
Wettbewerbsfähigkeit der Peripherie hat dabei nur eine untergeordnete Rolle gespielt.
Die schwere Kontraktion des Wachstums und der Anstieg der realen Zinssätze trugen
dann seit 2009 zur Schrumpfung der aussenwirtschaftlichen Ungleichgewichte bei,
unterstreichen Sanchez und Varoudakis
weiter.
Zudem betonen die Autoren mit
Nachdruck die Rolle der Lohnstückkosten, die ja im Kern niedrig und in der
Peripherie verhältnismässig hoch lagen, was dem Kern der EU zu Gute kam, aus
dem kräftigen Anstieg der Nachfrage in den sog. Emerging Markets und insbesondere
in China Kapital zu schlagen.
Ungleichgewichte und Lücke in Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone, Graph:
Jose Luis Diaz Sanchez und Aristomene Varoudakis in voxeu: „Tracking the causes of Eurozone external imbalances: New evidence“
Ferner legt die Evidenz nahe,
dass die von der EU-Kommission auferlegte und insbesondere von Berlin
geforderte Politik der internen Abwertung (internal devaluation) für die
Peripherie kaum dazu taugt, die Ungleichgewichte im Aussenhandel abzubauen.
Die interne Abwertung (d.h.
Senkung der Löhne und Preise) hat, wie die Autoren bemerken, zum Rückgang der
Nachfrage in der Peripherie geführt, anstatt die aussenwirtschaftlichen
Ungleichgewichte aufzuheben. Eine unbeabsichtigte Folge ist jedoch eine möglicherweise
grosse Umverteilung von Einkommen auf Kosten der Lohnarbeiter in der
EU-Peripherie.
Fazit:
Der Kern des Problems ist nicht
die viel beschworene unverantwortliche Haushaltsführung in der Peripherie der
Eurozone, sondern aussenwirtschaftliches Ungleichgewicht.
Die Austrian Doctrine bzw. das
neoliberale Dogma (harsche Sparmassnahmen, Lohnkürzungen, Sozialabbau usw.) hat
mit Austeritätspolitik viel zu viel menschliches Leid in Europa ausgelöst.
Die während der letzten drei
Jahrezehnte vorherrschende neoliberale Politik hat viel mit dem aktuellen
Dilemma zu tun, wie Joseph Stiglitz
in einem gestern veröffentlichten Artikel („Stagnation
by Design“) in Project Syndicate als Fazit festhält.
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