Die Einkommensungleichheit ist
auf historischen Höchstständen. Mehr als die Hälfte des US-Einkommens entfällt
auf die reichsten 10%.
Eine derart krasse
„Punkteteilung“ gab es in den USA seit den 1920er Jahren nicht. In den
OECD-Ländern ist die Einkommensungleichheit in den drei Jahren bis 2010 nicht
mehr so gestiegen wie in den vorangegangenen 12 Jahren zuvor.
Was hauptsächlich dazu
beigetragen hat, erklären Davide Furceri
und Prakash Loungani in einem
lesenswerten Artikel (“Who let the Gini
out? Searching for sources of inequality”) in voxeu.
(1) Die Öffnung der Kapitalmärkte,
die unter dem Stichwort “Liberalisierung des Kapitalverkehrs” bekannt ist.
(2) Der Hang der Regierungen, Haushaltskonsolidierung
anzustreben. Das Stichwort dazu ist Austeritätspolitik.
Die Great Recession von 2007-2009 hat zu einem signifikanten Anstieg
der Staatsverschuldung in den miesten Industrieländern geführt, v.a. wegen der
Schrumpfung der Steuereinnahmen, der Kosten für die Rettung der Banken (bailout) und Unternehmen und der Konjunkturprogramme
(fiscal stimulus).
Die Staatsverschuldung ist im Durchschnitt
von 70% des BIP auf rund 100% des BIP 2011 angestiegen. Das ist der höchste
Stand seit 50 Jahren. Vor diesem Hintergrund ergriffen Regierungen Massnahmen
für die Haushaltskonsolidierung.
Der Haushaltskonsolidierung
folgen Anstiege der Einkommensungleicheit, Graph:
Davide Furceri und Prakash Loungani (“Who
let the Gini out? Searching for sources of inequality”) in: voxeu
Die Geschichte liefert dazu eine
gute Anleitung, um die Auswirkungen dieser politischen Massnahmen auf die
Ungleichheit zu überprüfen. Das gemeinsame Merkmal ist, dass mit
Ausgabensenkungen und Steuererhöhungen Haushaltsdefizite gesenkt werden sollen.
Die Autoren untersuchen 173
solche Fälle in den vergangenen 30 Jahren, davon 17 in den Industrieländern. Das
Ergebnis ist: Das Haushaltsdefizit wurde im Durchschnitt der Episoden um etwa
1% des BIP gesenkt.
Furceri and Loungani zeigen dann,
dass dem Rückgang der Haushaltsdefizite wachsende Ungleichheit folgt. Der Gini-Koeffizient, der am häufigsten verwendete
Mass für Ungleichheit, ist zwei Jahre nach der Haushaltskonsolidierung um 0.3%
und acht Jahre danach um rund 1% gestiegen.
Diese Effekte sind quantitativ
wesentlich. Der Gini-Koeffizient wird hier auf einer Skala von null auf 100
gemessen. Der Mittelwert der Koeffizienten beträgt in der Stichprobe 25 Jahre.
Daher bedeutet eine mittelgrosse Haushaltskonsolidierung von 1% des BIP, dass
der Gini-Koeffizient um etwa 4% steigt.
Eine Erklärung für diese
Ergebnisse kann sein, dass es eigentlich einen dritten Faktor gibt, während die
Haushaltskonsolidierung mit Anstieg der Ungleichheit einhergeht. Eine Rezession
oder ein Abschwung der Konjunktur kann beispielsweise die Ungleichheit erhöhen
und gleichzeitig zu einem Anstieg der Staatsschuldenquote (debt to GDP) führen, was die Bemühungen um Haushaltskonsolidierung weiter
verstärkt.
Der Haushaltskonsolidierung
folgen Anstiege der Arbeitslosigkeit, Graph:
Davide Furceri und Prakash Loungani (“Who
let the Gini out? Searching for sources of inequality”) in: voxeu
Fazit: Dass die Liberalisierung
des Kapitalverkehrs und die Haushaltskonsolidierung die Ungleichheit erhöhen,
bedeutet laut Autoren nicht, dass die Staaten im Allgemeinen davon Abstand
nehmen sollen.
In einer Zeit, wo die wachsende
Ungleichheit Anlass zur Sorge gibt, sollen Regierungen die Vorteile der
Haushaltskonsolidierung gegen die Nachteile in Bezug auf die
Verteilungswirkungen abwägen. Das aktive Bewusstsein für solche Effekte kann
die Regierungen veranlassen, die politischen Massnahmen in einer Weise zu
ergreifen, dass die Verteilungswirkungen abgebaut werden.
Das können z.B. progressive
Steuern und der Schutz der Sozialleistungen sein. Auch die Förderung der
Bildung und Ausbildung von Menschen mit Niedrigeinkommen kann helfen, den
Kräften hinter dem langfristigen Anstieg der Ungleichheit entgegenzuwirken.
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