Freitag, 14. Februar 2014

Austerität erhöht Einkommensungleichheit

Die Einkommensungleichheit ist auf historischen Höchstständen. Mehr als die Hälfte des US-Einkommens entfällt auf die reichsten 10%.

Eine derart krasse „Punkteteilung“ gab es in den USA seit den 1920er Jahren nicht. In den OECD-Ländern ist die Einkommensungleichheit in den drei Jahren bis 2010 nicht mehr so gestiegen wie in den vorangegangenen 12 Jahren zuvor.

Was hauptsächlich dazu beigetragen hat, erklären Davide Furceri und Prakash Loungani in einem lesenswerten Artikel (“Who let the Gini out? Searching for sources of inequality”) in voxeu.

(1) Die Öffnung der Kapitalmärkte, die unter dem Stichwort “Liberalisierung des Kapitalverkehrs” bekannt ist.

(2) Der Hang der Regierungen, Haushaltskonsolidierung anzustreben. Das Stichwort dazu ist Austeritätspolitik.

Die Great Recession von 2007-2009 hat zu einem signifikanten Anstieg der Staatsverschuldung in den miesten Industrieländern geführt, v.a. wegen der Schrumpfung der Steuereinnahmen, der Kosten für die Rettung der Banken (bailout) und Unternehmen und der Konjunkturprogramme (fiscal stimulus).

Die Staatsverschuldung ist im Durchschnitt von 70% des BIP auf rund 100% des BIP 2011 angestiegen. Das ist der höchste Stand seit 50 Jahren. Vor diesem Hintergrund ergriffen Regierungen Massnahmen für die Haushaltskonsolidierung.



Der Haushaltskonsolidierung folgen Anstiege der Einkommensungleicheit, Graph: Davide Furceri und Prakash Loungani (“Who let the Gini out? Searching for sources of inequality”) in: voxeu

Die Geschichte liefert dazu eine gute Anleitung, um die Auswirkungen dieser politischen Massnahmen auf die Ungleichheit zu überprüfen. Das gemeinsame Merkmal ist, dass mit Ausgabensenkungen und Steuererhöhungen Haushaltsdefizite gesenkt werden sollen.

Die Autoren untersuchen 173 solche Fälle in den vergangenen 30 Jahren, davon 17 in den Industrieländern. Das Ergebnis ist: Das Haushaltsdefizit wurde im Durchschnitt der Episoden um etwa 1% des BIP gesenkt.

Furceri and Loungani zeigen dann, dass dem Rückgang der Haushaltsdefizite wachsende Ungleichheit folgt. Der Gini-Koeffizient, der am häufigsten verwendete Mass für Ungleichheit, ist zwei Jahre nach der Haushaltskonsolidierung um 0.3% und acht Jahre danach um rund 1% gestiegen.

Diese Effekte sind quantitativ wesentlich. Der Gini-Koeffizient wird hier auf einer Skala von null auf 100 gemessen. Der Mittelwert der Koeffizienten beträgt in der Stichprobe 25 Jahre. Daher bedeutet eine mittelgrosse Haushaltskonsolidierung von 1% des BIP, dass der Gini-Koeffizient um etwa 4% steigt.

Eine Erklärung für diese Ergebnisse kann sein, dass es eigentlich einen dritten Faktor gibt, während die Haushaltskonsolidierung mit Anstieg der Ungleichheit einhergeht. Eine Rezession oder ein Abschwung der Konjunktur kann beispielsweise die Ungleichheit erhöhen und gleichzeitig zu einem Anstieg der Staatsschuldenquote (debt to GDP) führen, was die Bemühungen um Haushaltskonsolidierung weiter verstärkt.



Der Haushaltskonsolidierung folgen Anstiege der Arbeitslosigkeit, Graph: Davide Furceri und Prakash Loungani (“Who let the Gini out? Searching for sources of inequality”) in: voxeu

Fazit: Dass die Liberalisierung des Kapitalverkehrs und die Haushaltskonsolidierung die Ungleichheit erhöhen, bedeutet laut Autoren nicht, dass die Staaten im Allgemeinen davon Abstand nehmen sollen.

In einer Zeit, wo die wachsende Ungleichheit Anlass zur Sorge gibt, sollen Regierungen die Vorteile der Haushaltskonsolidierung gegen die Nachteile in Bezug auf die Verteilungswirkungen abwägen. Das aktive Bewusstsein für solche Effekte kann die Regierungen veranlassen, die politischen Massnahmen in einer Weise zu ergreifen, dass die Verteilungswirkungen abgebaut werden.

Das können z.B. progressive Steuern und der Schutz der Sozialleistungen sein. Auch die Förderung der Bildung und Ausbildung von Menschen mit Niedrigeinkommen kann helfen, den Kräften hinter dem langfristigen Anstieg der Ungleichheit entgegenzuwirken.

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