Harvard
Wirtschaftsprofessor Niall Ferguson hat sich für seine infame Aussage, dass John Maynard Keynes wegen seiner sexuellen Orientierung in Bezug
auf langfristige wirtschaftliche Fragen gleichgültig gewesen sei, inzwischen
entschuldigt.
Unabhängig
davon wird im Allgemeinen unterstellt, dass keynesianische Ökonomen sich um
langfristige Probleme nicht kümmern, wenn die Wirtschaft kurzfristig in
Schwierigkeiten steckt. Die Behauptung, dass Keynesianer im Hinblick auf die
Zukunft gleichgültig sind, ist einer der vielen Mythen über Keynesianismus. Mark Thoma befasst sich in einem
lesenswerten Artikel („Seven Myths about
Keynesian Economics“) in The Fiscal Times.
Mythos 1: Keynesianer kümmern sich nicht
genug um langfristige wirtschaftliche Probleme: Konservative Gegner des
Keynesianismus kümmern sich nicht genug um kurzfristige wirtschaftliche
Probleme, insbesondere um die Arbeitslosigkeit, welche langfristige Schäden
auslösen kann, erklärt Thoma. Anhaltende Rezessionen führen dazu, dass Menschen
dauerhaft aus dem Erwerbsleben fallen, was das langfristige Wirtschaftswachstum
beeinträchtigt.
Mythos 2:Keynesianer kümmern sich nicht um
das Wirtschaftswachstum: Keynesianer verstehen den Wert des
Wirtschaftswachstums. Aber sie wollen, dass Unternehmen Externalitäten (wie
z.B. CO2 Emission) Rechnung tragen. Das Wachstum ist entscheidend für das
Einkommen. Keynesianer kümmern sich darum, dass das Wachstum gleich verteilt wird.
Mythos 3: Keynesianer befürworten Big Government: Das ist wahrscheinlich
die grösste und die häufigste Verwirrung in Sachen Keynesianismus. Die
Konjunkturpolitik à la Keynes beinhaltet Erhöhung der Staatsausgaben oder
Steuersenkungen, um die Wirtschaft in Rezession anzukurbeln. Und es gilt, die
Politik dann umzukehren, wenn die Wirtschaft sich erholt. Währenddessen bleibt
die Grössenordnung der öffentlichen Hand unverändert. Es gibt keine Änderung
über die Zeit. Wenn die Veränderungen in Bezug auf die Staatsausgaben und die
Steuern wirklich nur von vorübergehender Natur sind, dann bleibt die Grösse des
Staates am Schluss unverändert, wenn die Wirtschaft sich wieder erholt.
Mythos 4: Keynesianer kümmern sich um
Staatsverschuldung nicht: Keynesianer sehen ein, dass Verschuldung unter Umständen
problematisch sein kann und wir sie auf lange Sicht anpacken müssen. Das
Problem ist die Herstellung eines tradeoff
zwischen den Kosten der Verschuldung und den Kosten der Arbeitslosigkeit. In
einem schweren Abschwung und wenn die Schulden so hoch sind wie in der
Gegenwart, sind die Kosten der Arbeitslosigkeit viel höher als die Kosten von deficit spendig. Wenn die Wirtschaft
sich erholt, kehrt sich das tradeoff um, sodass der Defizitabbau die grösseren
Vorteile liefert. Zur Zeit ist aber die Arbeitslosigkeit unsere grösste Sorge.
Mythos 5: Keynesianer kümmern sich um die Inflation
nicht: Keynesianer kümmern sich in erster Linie um die Beschäftigung und das Einkommen
auf einem hohen und stabilien Niveau für die working class Haushalte. In dem Masse, wie die Inflation sich auf
diese Ziele auswirkt, ist es für die Keynesianer natürlich von Bedeutung.
Keynesianer wenden sich vor diesem Hintergrund gegen die falsche Darstellung
von Kosten der Inflation versus Kosten der Arbeitslosigkeit durch die jenigen,
die aus ideologischen Gründen staatliche Eingriffe in die Wirtschaft ablehnen.
Mythos 6: Keynesianer glauben an die
Geldpolitik nicht: Keynesianer leugnen nicht, dass die Geldpolitik helfen kann.
Aber sie sind mit denjenigen, die behaupten, dass die Geldpolitik allein tiefe
Rezessionen bekämpfen kann, nicht einverstanden. Es bedarf auch der
Fiskalpolitik.
Mythos 7: Keynesianer benutzen veraltete und
minderwertige Modelle: Mit dem Ausbruch der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass
moderne makroökonomische Modelle gescheitert sind. Viele haben sich dann an
alte keynesianische Modell gewandt, als Anleitung, um auf die gegenwärtigen
Fragen zu antworten. Wir hatten keine Zeit, zu warten, hält Thoma fest, bis die
modernen Wirtschaftsmodelle auf Vordermann gebracht werden. Und das alte
keynesianische Modell hat sich im Verlauf der Krise mit seinen Stärken und
Schwächen als nützlich erwiesen.
Interessanterweise
stützen moderne „New Keynesian“ Modelle die wirtschaftspolitischen Massnahmen,
die die älteren Modelle nahelegen. Wären solche Richtlinien von Anfang an aggressiv
befolgt worden, wäre die Langzeitarbeitslosigkeit heute nicht so schlimm
ausgefallen.
Auch heute besteht noch die
Notwendigkeit, mehr zu unternehmen, fasst der an der University of Oregon lehrende Wirtschaftsprofessor als Fazit
zusammen. Aber die oben beschriebenen Mythen stehen im Wege, auf das Problem
Arbeitslosigkeit eine wirksame Antwort zu liefern.
1 Kommentar:
Flassbeck hat auch was dazu:
flassbeck-economics.de/kritiker-in-der-kritik-spon-und-niall-fergueson-uber-keynes/
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