Montag, 27. Mai 2013

Abenomics und Anstieg der Renditen in Japan: Ein Paradoxon?

Die US-Notenbank (Fed) kauft seit Januar 2013 im Rahmen des QE-Programms jeden Monat langlaufende Staatsanleihen (45 Mrd. $) und mit Hypothekarkrediten verbrieften Wertschriften (40 Mrd. $). Da die nominalen Zinsen nahe Null liegen (zero lower bound), kann die Fed keinen herkömmlichen Ansatz verwenden, um die Geldpolitik weiter zu lockern. Daher setzt Ben Bernanke einen unkonventionellen Ansatz (QE: quantitative easing) ein, um die Zinsen am langen Ende der Ertragskurve zu senken.
Auch in Japan liegen die kurzfristigen Zinsen nahe Null, und zwar seit bereits mehreren Jahren. Und die japanische Wirtschaft steckt in einer vollständigen Deflation. In den USA mehren sich in den vergangenen Wochen zwar Anzeichen für Disinflation. Aber es kann von Deflation derzeit keine Rede sein. Der Grund: Die Löhne sind nach unten starr (Lohnrigidität). 

Die japanische Zentralbank (BoJ: Bank of Japan) setzt seit geraumer Zeit angetrieben durch „Abenomics“ ein massives Kaufprogramm um, um die Deflation zu bekämpfen. BoJ-Chef Kuroda hat angekündigt, das Portfolio der Zentralbank an Staatsanleihen und ETF-Fonds zu verdoppeln. Seither sind die Inflationserwartungen gestiegen, die Realzinsen gesunken und der Yen hat sich abgewertet.

Manche Experten sehen aber darin ein widersinniges Ergebnis (paradoxical result), weil die BoJ festverzinsliche Papiere kauft und die Preise der Anleihen fallen, während die Renditen steigen. Wie ist diese Entwicklung zu verstehen? 

Es kommt darauf an, wie der Ankauf von Wertschriften finanziert wird, erklärt Nick Rowe seinem Blog. Ein Anstieg der Geldmenge hat einen Effekt auf die Nachfrage nach Anleihen, heute und in Zukunft. Weil dadurch die Erwartung in Bezug auf das künftige Preisniveau und/oder das künftige Realeinkommen genährt wird, nimmt die Nachfrage nach Anleihen ab.



Rendite der japanischen Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg

Wenn man die Geldpolitik als Zinspolitik betrachtet, hat man es schwer, dem Paradoxen zu entkommen, argumentiert der an der Carleton University, Kanada lehrende Wirtschaftsprofessor.

Wenn Sie dessen bewusst sind, dass das Gelddrucken und der Ankauf von Anleihen und der Versuch, die Renditen zu drücken, zu einer Erholung der Wirtschaft führen, und die Erwartungen im Hinblick auf die wirtschaftliche Erholung einen Anstieg der Investitionen und einen Rückgang der Ersparnisse auslösen, dann bedeutet das Ganze, dass sich daraus weniger Nachfrage nach liquiden und sicheren Staatsanleihen ergibt. Und dies führt zu einem Anstieg der Renditen. Die Frage ist also, wenn Sie bereit sind, einen Anstieg der Renditen als Nebeneffekt der wirtschaftlichen Erholung zu akzeptieren, heisst es, dass Sie wirklich versuchen, die Renditen nach unten zu drücken? Nun, ja und nein. Der Anstieg der Renditen in Japan bedeutet aber nicht, dass die „Abenomics“ gescheitert ist, wie manche Hedgies gern behaupten. Ganz im Gegenteil: Die „Abenomics“ hat bisher funktioniert.

In diesem Sinne sagt auch Jesper Koll in einem Interview mit dem Bloomberg TV, dass es nichts Sonderbares dafür gibt, dass die langfristigen Zinsen in Japan steigen. Der Leiter des Aktien-Research von JPMorgan Tokio hält den Anstieg der Renditen der japanischen Staatsanleihen (JGB) mit 10 Jahren Laufzeit für ein Zeichen, dass die japanische Wirtschaft sich erholt.

Bemerkenswert ist jedoch, dass Richard Koo die „monetäre Reflation durch Abenomics“ für „wahnsinnig“ hält, Wie Ambrose Evans-Pritchard in seiner Kolumne The Telegraph berichtet. Sobald die Inflationssorgen überhand gewinnen, wird die BoJ nicht in der Lage sein, die Renditen zu drücken, unabhängig davon, wie viel Anleihen sie kaufen will, legt der Chefökonom von Nomura Research Institute in Japan dar. Und dies werde zu einem Vertrauensverlust gegenüber der japanischen Regierung führen und „den Anfang vom Ende für Japans Wirtschaft“ bedeuten.

Wenn Japans Wirtschaft sich aber von Deflation und Rezession erholt, dann wird es für die BoJ sicherlich schwer, einen Anstieg der Renditen am langen Ende der Ertragskurve zu verhindern. Aber wenn die wirtschaftliche Erholung stark genug ist, würde die BoJ nicht versuchen, den Anstieg der Renditen zu unterbinden. Ein Anstieg der Renditen der langlaufenden Staatsanleihen würde bedeuten, dass Japans aus der Liquiditätsfalle kommt. Deswegen verstehe ich Koos Überlegungen („time inconsistency problem“) nicht.

Versucht die BoJ, die Rendite der Staatsanleihen zu senken? Ja und nein, antwortet Rowe. Ja, weil sie sich damit herumschlägt, die Renditen zu drücken. Aber dieser Schlacht ist Teil eines grösseren Kampfes für die Erholung der Wirtschaft, beschreibt Rowe weiter. Und wenn die BoJ diesen Kampf für die wirtschaftliche Erholung gewinnt, verliert sie die Schlacht um die Senkung der Renditen. Daher will die BoJ diese Schlacht zur Senkung der Renditen verlieren. 

PS: Die langfristigen Zinsen setzen sich aus drei Komponenten zusammen: (1) erwartete Inflation, (2) erwartete kurzfristige Zinsen (real) und (3) Laufzeitprämie.

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