Mittwoch, 8. Mai 2013

Der überbewertete Schweizer Franken


Der EUR/CHF Wechselkurs ist gestern über 1,230 gestiegen. Es gab Gerüchte, wonach ein Hedge Funds mit dem Kauf von EUR/CHF Call-Optionen die Entwicklung ausgelöst hat. Ein Euro hat heute im Tagesverlauf an der Spitze sogar 1.2349 Franken gekostet.

In einem gestern erschienenen Bericht in der gut informierten Finanz & Wirtschaft ist vom „Rätsel des schwachen Franken“ die Rede. Es gibt aber triftige Gründe, warum der CHF seit geraumer Zeit nicht mehr ganz als Safe Hafen gehandelt wird.

Wie das Bundesamt für Statistik heute mitgeteilt hat, verläuft der Verbraucherpreisindex (CPI)* in der Schweiz den 19. Monat in Folge negativ. Trotz der am 6. September 2011 festgelegten Mindestkurs treibt der anhaltende Rückgang der Importpreise die Deflation hierzulande an. Die Preise der Importgüter sind zuletzt im April um 2,8% innert Jahresfrist gesunken. Vor diesem Hintergrund hat die SNB nach wie vor Spielraum, am Kurs der mengenmässigen Lockerung der Geldpolitik festzuhalten, bis der Staub sich in den internationalen Finanzmärkten gelegt hat, ohne Inflation befürchten zu müssen.

Die Geldmarktsätze sind in der Schweiz seit fast zwei Jahren negativ. Auch Staatspapiere mit 2 und 3 Jahren Laufzeit weisen heute negative Renditen (-0,049% resp. -0,048%) auf.

Die Investoren scheinen keinen Zweifel daran zu haben, dass die SNB den Devisenmarkt fest im Griff hat. Die Devisenbestände der SNB sind zuletzt von 438,3 Mrd. CHF im März auf 433,6 Mrd. CHF im April gefallen, wie die SNB gestern mitgeteilt hat. Es mehren sich Anzeichen, dass der Schweizer Franken im heutigen Umfeld des Marktes viel mehr als Funding Currency als Safe Haven gehandhabt wird.


CHF und Carry Trades, Graph: Dewet Moser, SNB, März 2013

Verschuldung in CHF und Anlage z.B. in EUR zwecks Vereinnahmung der Zinsdifferenz

Es ist in diesem Kontext interessant, sich zu vergegenwärtigen, dass der Safe-Haven-Status des Schweizer Frankens nicht im Allgemeinen gilt, wie eine im April 2013 durch die SNB veröffentlichte Forschungsarbeit („On financial risk and the safe haven characteristics of Swiss franc exchange rates“) betont. Der CHF verhält sich nicht gegen alle Währungen als einen sicheren Hafen. Der USD, Yen und der Pfund bieten eine bessere Absicherung gegen globale Risiken als der CHF. Diese Ergebnisse reflektieren möglicherweise die geringe Grösse des Schweizer Frankens an den Kapitalmärkten und damit die begrenzte Liquidität im Markt.

Es ist u.a. auch ein Grund dafür, warum die SNB im Rahmen ihrer QE-Politik (quantitative easing) im offenen Markt Devisen anstatt in CHF denominierte Staatspapiere ankauft, weil es eben nicht so viele Staatsanleihen in CHF gibt wie z.B. in Euro.

Trotz des Mindestkurses musste am Anfang für eine Absicherung gegen eine Aufwertung des CHF mehr bezahlt werden als für eine Absicherung gegen eine Abwertung. Da die Risk Reversals sich inzwischen wieder gedreht haben, ist anzunehmen, dass die Suche nach einem sicheren Hafen abgenommen hat. Das heisst, dass die Investoren Potenzial für eine weitere Abschwächung des CHF zum Euro sehen.


Risk Reversal (blaue Linie) CHF und, Graph: Dewet Moser, SNB, März 2013

Risk Reversal = Preis einer Call-Option – Preis einer Put-Option auf EUR/CHF

In Italien ist eine neue Regierung gebildet worden. Frankreich wehrt sich offiziell gegen die von Brüssel und Berlin verordnete Politik des Liquidationismus. In Deutschland gibt es im September Wahlen. Die EZB hat sich einsichtig gezeigt und vergangene Woche die Zinsen gesenkt. Die Zinsspreads werden in der Eurozone enger. Japan will mit Abenomics die Bilanz-Rezession endgültig aus der Welt schaffen. Die Investoren erwarten das Ende der harschen Austeritätspolitik in Europa.

Fakt ist, dass sowohl die realisierte als auch die erwartete Volatilität seit der Einführung des Mindestkurses am 6. September 2011 auf ein sehr tiefes Niveau gefallen sind.

Auch Kapitalausflüsse aus der Schweiz würden für eine Abschwächung des CHF sorgen, wie die Analysten von Credit Suisse in einem Monatsbericht (Mai 2013, Research Monthly) berichten. Da in der Schweiz ansässige Anleger ausländische Vermögenswerte kaufen, wird ein Teil der Zuflüsse im Ausland „recycelt“.

Sogar die SNB hat inzwischen den Aktienanteil an den Devisenanlagen von 12% auf 15% erhöht.

(*) In der Schweiz ist auch die Kerninflation rückgängig. Im April lag die um die Sondereffekte bereinigte Inflationsrate um 0,6% niedriger als der Vorjahreswert.

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