Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff sind gekränkt, dass ihr Engagement für die illusionäre Austeritätspolitik von namhaften Ökonomen wie Paul Krugman, Brad DeLong, Mark Thoma, Paul de Grauwe usw. nicht geteilt wird. Die beiden Wirtschaftswissenschaftler haben nun flennend einen offenen Brief an Krugman geschrieben und auf der eigenen Webseite veröffentlicht.
Krugman fackelt nicht lange und
antwortet in seinem Blog darauf postwendend, dass Reinhart und Rogoff (R&R) die Frage der Kausalität verharmlosen: ob hohe Verschuldung schwaches
Wirtschaftswachstum verursacht oder schwaches Wirtschaftswachstum hohe
Verschuldung verursacht. Oder ob hohe Verschuldung und schwaches Wachstum das
Ergebnis von dritten Faktoren (wie es in Amerika der Nachkriegszeit der Fall
war, was die R&R in ihrer ursprünglichen Forschungsarbeit selbst hervorheben)
sind.
Der wichtigere Fehler beinhaltet
aber den Missbrauch des Kriteriums von „90 Prozent“. Es gibt eine negative
Korrelation in den Daten zwischen der Verschuldung und dem Wachstum. Folglich
lässt sich eine Linie an einem beliebigen Punkt ziehen, sei es 80% oder 90%, wo
Länder mit einer Verschuldung über diesem Schwellenwert tendenziell ein
langsameres Wirtschaftswachstum haben werden als Länder mit einer Verschuldung
unterhalb dieses Schwellenwertes.
Krugman unterstreicht, dass es
einen gewaltigen Unterschied zwischen den beiden Aussagen gibt: dass (a) Länder mit Verschuldung über 90% des
BIP tendenziell ein langsameres Wachstum haben als Länder mit Verschuldung
unter 90% des BIP und dass (b) das Wachstum stark fällt, wenn die Verschuldung
90% des BIP überschreitet. (a) ist richtig, (b) hingegen falsch. Doch hat
R&R diese Unterscheidung ständig verwischt und in den aktuellen Schriften
dazu weiter beigetragen.
Für ein Land mit Schulden in der
Nähe von 90% des BIP (wie z.B. die USA oder Grossbritannien) ist die Unterscheidung entscheidend. Es ist laut Krugman der Unterschied zwischen dem
Argument, dass das BIP sich höchstens um einen Bruchteil eines Prozents
verringern würde (was die gegenwärtige Korrelation nahelegt), wenn man keine
Austeritätspolitik betriebe, und der Annahme, dass das künftige BIP sich um 10%
reduzieren würde, was die Befürworter von „90%-Marke“ im Grunde genommen behaupten.
Die Politiker, die an Austerität
hängen, greifen natürlich gern auf die zweite Behauptung zurück, indem sie auf R&R hinweisen. Wenn R&R sich jemals darum bemüht hätte, um diesen
Irrtum zu korrigieren oder es überhaupt zur Kenntnis genommen hätte, wäre es ruhig
geschehen.
Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hält es
deswegen für bedauernswert, dass die Autoren dieses Missverständnis nicht
berichtigt und damit viel Schaden ausgelöst haben. Und dieser Schaden wurde durch
verschiedene Bemerkungen im Vorbeigehen nicht deutlich gelindert, dass die
Austeritätsmassnahmen übertrieben sein könnten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen