Sonntag, 26. Mai 2013

Reinhart & Rogoff schreiben einen offenen Brief an Paul Krugman

Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff sind gekränkt, dass ihr Engagement für die illusionäre Austeritätspolitik von namhaften Ökonomen wie Paul Krugman, Brad DeLong, Mark Thoma, Paul de Grauwe usw. nicht geteilt wird. Die beiden Wirtschaftswissenschaftler haben nun flennend einen offenen Brief an Krugman geschrieben und auf der eigenen Webseite veröffentlicht.

Krugman fackelt nicht lange und antwortet in seinem Blog darauf postwendend, dass Reinhart und Rogoff (R&R) die Frage der Kausalität verharmlosen: ob hohe Verschuldung schwaches Wirtschaftswachstum verursacht oder schwaches Wirtschaftswachstum hohe Verschuldung verursacht. Oder ob hohe Verschuldung und schwaches Wachstum das Ergebnis von dritten Faktoren (wie es in Amerika der Nachkriegszeit der Fall war, was die R&R in ihrer ursprünglichen Forschungsarbeit selbst hervorheben) sind.

Der wichtigere Fehler beinhaltet aber den Missbrauch des Kriteriums von „90 Prozent“. Es gibt eine negative Korrelation in den Daten zwischen der Verschuldung und dem Wachstum. Folglich lässt sich eine Linie an einem beliebigen Punkt ziehen, sei es 80% oder 90%, wo Länder mit einer Verschuldung über diesem Schwellenwert tendenziell ein langsameres Wirtschaftswachstum haben werden als Länder mit einer Verschuldung unterhalb dieses Schwellenwertes.

Krugman unterstreicht, dass es einen gewaltigen Unterschied zwischen den beiden Aussagen gibt:  dass (a) Länder mit Verschuldung über 90% des BIP tendenziell ein langsameres Wachstum haben als Länder mit Verschuldung unter 90% des BIP und dass (b) das Wachstum stark fällt, wenn die Verschuldung 90% des BIP überschreitet. (a) ist richtig, (b) hingegen falsch. Doch hat R&R diese Unterscheidung ständig verwischt und in den aktuellen Schriften dazu weiter beigetragen.

Für ein Land mit Schulden in der Nähe von 90% des BIP (wie z.B. die USA oder Grossbritannien) ist die Unterscheidung entscheidend. Es ist laut Krugman der Unterschied zwischen dem Argument, dass das BIP sich höchstens um einen Bruchteil eines Prozents verringern würde (was die gegenwärtige Korrelation nahelegt), wenn man keine Austeritätspolitik betriebe, und der Annahme, dass das künftige BIP sich um 10% reduzieren würde, was die Befürworter von „90%-Marke“ im Grunde genommen behaupten.

Die Politiker, die an Austerität hängen, greifen natürlich gern auf die zweite Behauptung zurück, indem sie auf R&R hinweisen. Wenn R&R sich jemals darum bemüht hätte, um diesen Irrtum zu korrigieren oder es überhaupt zur Kenntnis genommen hätte, wäre es ruhig geschehen. 

Der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor hält es deswegen für bedauernswert, dass die Autoren dieses Missverständnis nicht berichtigt und damit viel Schaden ausgelöst haben. Und dieser Schaden wurde durch verschiedene Bemerkungen im Vorbeigehen nicht deutlich gelindert, dass die Austeritätsmassnahmen übertrieben sein könnten.

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