Dienstag, 29. September 2015

Vom Geldabwurf aus dem Hubschrauber zur kalten Fusion

Insgesamt gab es seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008 weltweit mehr als 600 Zinssenkungen, meldet Bank of America Merrill Lynch.

Zuletzt hat die Reserve Bank of India am Dienstag die Zinsen gesenkt, und zwar mehr als erwartet.

Ökonomen und Investoren befürchten eine Überschwappung der von China ausgelösten Schwäche der wirtschaftlichen Entwicklung in den sog. Schwellenländern auf die Volkswirtschaft der Industrieländer.

BofA Merrill Lynch schätzt eine Wahrscheinlichkeit von 25% für einen Rezession-artigen Einbruch der Konjunktur in diesem Jahr.

Während die Geldpolitik, seit die nominalen Zinsen nahe Null-Grenze (ZLB: zero lower bound) liegen, ausgelaugt ist, bestimmt die Austeritätspolitik immer noch die Tagesordnung, z.B. in Europa.

Es ist nun mehr als Helicopter Money erforderlich, sagt Steven Englander und trifft den Nagel auf den Kopf: “cold fusion” (kalte Fusion). So nennt er seinen Ansatz:

Die Entscheidungsträger sollen die Steuern senken und die Ausgaben erhöhen. Die Zentralbanken sollen dann den daraus resultierenden Anstieg der Kreditaufnahme durch den Kauf von mehr Anleihen decken, indem sie sich verpflichten, eine unendliche QE-Politik (QE Infinity) zu betreiben, erläutert der Leiter der G10 FX Strategy bei Citigroup.

Das Fehlen der Fiskalpolitik sieht Englander als einen der Gründe, warum die Erholung der Wirtschaft so lange auf sich warten lässt.

Wenn die Zinsen nahe null liegen, bedarf es einer expansiven Fiskalpolitik, um die Auswirkungen eines jeden (wie auch immer beschaffenen) negativen Schocks, der die Weltwirtschaft trifft, zu glätten.

Wenn man sich nicht nach dem Lehrbuch der Makroökonomie richtet, begibt man sich mit der dogmatischen Wirtschaftspolitik des Neoliberalismus auf den Holzweg wie in Europa.

Gestützt auf ein einfaches IS-LM Modell und/oder Hicks wurde von weitsichtigen Ökonomen bereits vor fast neun Jahren vorausgesagt, dass bei der ZLB Fiskal-Multiplikatoren grösser sind als sonst und hohe Haushaltsdefizite nicht zu einem Anstieg der Zinsen führen. Und auch die Ausdehnung der Notenbankgeldmenge (monetary base) wirkt bei der ZLB nicht inflationär.

Das heisst als Fazit, dass ein Blick in das Lehrbuch darauf hingedeutet hätte, ein angemessenes Konjunkturprogramm auf die Beine zu stellen, anstatt mit der Gürter-enger-schnallen-Politik von den Bürgern eine schmerzhafte Opferbereitschaft auf mehrere Jahre hinweg zu verlangen.

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