Donnerstag, 17. September 2015

Was ist Keynesianismus?

Was in der anhaltenden Debatte um eine angemessene Geld- und Fiskalpolitik in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft auffällt, ist, dass die Argumentation der Vertreter eines harschen Sparkurses zumeist mit den treffenden Voraussagen der Gegner der Austeritätspolitik nichts zu tun hat.

Das heisst m.a.W., dass die Kritik sich zumeist auf Scheinargumente stützt. Der Bedarf für eine Aufklärung ist daher akut. Es geht im Grunde genommen nicht um die Aussagekraft der Wirtschaftsmodelle, wie gut sie funktionieren, was sie taugen, sondern v.a. um die Auswirkungen der angewandten Wirtschaftspolitik.

Vor diesem Hintergrund bietet Paul Krugman in seinem Blog in NYTimes vier Punkte, um die keynesianische Sicht kurz zusammenzufassen:

(1) Weil es an Ausgaben mangelt, produzieren Volkswirtschaften manchmal viel weniger als sie in der Tat können. Und beschäftigen weniger Menschen als sie sollten. Solche Episoden können aus einer Vielzahl von Gründen vorkommen; die Frage ist, wie wir darauf reagieren.

(2) Es gibt normalerweise Kräfte, die die Wirtschaft in Richtung Vollbeschäftigung schieben. Aber sie funktionieren langsam; wenn man sich nicht einmischt, während die Wirtschaft schwer angeschlagen ist, bedeutet es, eine unnötige Zeit des Leidens über sich ergehen zu lassen.

(3) Es ist oft möglich, diese Zeit der Schmerzen und des Leids drastisch zu kürzen und die menschlichen und finanziellen Verluste durch “Geld drucken” (“printing money”) und den Einsatz der Macht der Zentralbank zur Geldschaffung zu reduzieren, um die Zinsen nach unten zu drucken.


(4) Manchmal verliert die Geldpolitik aber an Wirksamkeit, insbesondere, wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen. In diesem Fall kann ein vorübergehendes Deficit Financing einen vorteilhaften Schub auslösen. Und umgekehrt verursacht Austerität (fiscal austerity) in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft hohe ökonomische Verluste.

Die Schlussfolgerung für die Welt, in der wir seit 2008 leben ist, aggressive monetäre Expansion sowie ein Konjunkturprogramm (fiscal stimulus), solange die Nullzins-Grenze (zero lower bound) die Geldpolitik einschränkt.

Doch stellen die Kritiker falsche Behauptungen auf, was Keynesianer angeblich denken:

Scheinargument 1: Jede wirtschaftliche Erholung, unabhängig davon, wie träge und wie verzögert, zeigt, dass Keynesianismus falsch liegt. Antwort: siehe oben (2).

Scheinargument 2: Keynesianer glauben, dass das Drucken von Geld alle Probleme löst. Antwort: siehe oben (3); Geld drucken kann ein spezifisches Problem lösen, wenn die Wirtschaft unter ihrer Kapazität arbeitet. Niemand sagt, dass dadurch eine höhere Produktivität hergezaubert werden kann oder eine Erkältung geheilt werden kann.

Scheinargument 3: Keynesianer bevorzugen immer deficit spending, unter allen Bedingungen: Antwort: siehe oben (4). Der Fall für Konjunkturpakete ist ziemlich restriktiv, das heisst, dass es lediglich unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft schwer angeschlagenen  (depressiv) ist und die Möglichkeiten der Geldpolitik eingeschränkt ist, zum Zuge kommt.

Ergänzend meldet sich auch Mark Thoma in seinem Blog zu Wort: Keynesianer favorisieren nicht einen grossen Staat (large government); sie glauben, dass das Defizit verwendet werden kann, die Wirtschaft in einer schweren Rezession anzukurbeln, wenn die Geldpolitik allein nicht im Stande ist, Stimulus anzubieten. Ferner sind die Keynesianer dafür, dass die Defizite in konjunkturell guten Zeiten abgebaut werden.






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