Sonntag, 20. September 2015

Finnlands Wirtschaft im Würgegriff des Fiskalpakts

In einem Moment, in dem die Wirtschaft schwer angeschlagen ist, denkt Finnlands Regierung darüber nach, harsche Sparmassnahmen zu treffen.

Die finnische Wirtschaft wird seit drei Jahren von einer hartnäckigen Rezession überschattet. Und die meisten Ökonomen erwarten einen Abschwung das vierte Jahr in Folge.

Die Regierung will nun zwei öffentliche Feiertage und Lohn-Zuschläge für Überstunden und Sonntagsarbeit abschaffen. Die Arbeitnehmer sollen also bei mehr Arbeit weniger Lohn bekommen. Es gibt Kürzungen auch für Rentner.

Das Volk protestiert und will in den grössten Streik seit Jahrzehnten gehen. Doch besteht Ministerpräsident Juha Sipila darauf, die Arbeitskosten um 5% zu senken.

Es sei denn, die Gewerkschaften sind einverstanden, die Arbeitstage um 20 Minuten zu verlängern (ohne Lohnausgleich) und die Hälfte der Ferien zu streichen. Ein Berater der Gewerkschaften sagt, dass die Kaufkraft der Arbeitnehmern dadurch um 3% schrumpfen würde, falls die Regierung die besagte Massnahme in die Tat umsetzen würde.


Finnland: Inflation im August (-0.2%), Graph: Statistics Finland


Mitten in einer tiefen Rezession, wo es eindeutig an Nachfrage mangelt, will die finnische Regierung die Löhne senken. Wo kommt aber die Idee her? Finnland ist in der Eurozone. Und die neoliberal geprägte Wirtschaftspolitik der EU bestimmt die Tagesordnung. Im Mittelpunkt der Agenda steht zur Zeit die internal devaluation (Anpassung von Kosten und Preisen durch Lohnsenkung).

Der Sparkurs wird also von Brüssel und Berlin diktiert, koste was es wolle.

Bemerkenswert ist, dass Finnland während der Eurokrise als begeisterter Unterstützer der Austeritätspolitik aufgetreten ist. Helsinki war deshalb mit viel Kritik insbesondere aus Griechenland und Portugal konfrontiert.

Nach aktuellen Einschätzungen dürfte die Arbeitslosigkeit in Finnland in den nächsten Jahren von 8,7% (2014) auf 10,3% klettern. Die Staatsverschuldung mit rund 60% im Verhältnis zum BIP steht eigentlich im Einklang mit dem Zielwert der EU (60%).


Finnland's Arbeitslosenquote, Graph: FT

Finnland könnte also mit deficit spending Investitionen anregen und v.a. seine Währung abwerten, um den Aussenhandel zu beleben, wenn es nicht den Euro hätte. Das Land wird aber vom Fiskalpakt angehalten, harsche Sparmassnahmen zu treffen.


Finnland Output, Graph: Statistics Finland


Wenn die Einkommenssituation sich verschlechtert, gibt es weniger Nachfrage, was weniger Umsatz für Unternehmen bedeutet. Weniger Einnahmen für Unternehmen führt zu weniger Beschäftigung. Und am Schluss steigt die Arbeitslosigkeit. Finnland gerät folglich immer tiefer in einen Abwärtsstrudel einer gescheiterten Wirtschaftspolitik der Eurozone.

Ausgesprochen erstaunlich ist, wie die Verfechter der Austeritätspolitik, die sich über zu niedrige Zinsen in Europa beklagen und die Notenbank zur Zinserhöhung auffordern, gefliessentlich übersehen, welche Rolle die wilden Ausgabenkürzungen für die Niedrigzinsen und deflationäre Tendenzen in der Eurozone spielen.


PS:

Der letzte grosse Arbeitnehmerprotest Finnlands hat vor mehr als 20 Jahren stattgefunden, mit rund 300’000 Teilnehmern. Der letzte, offiziell erklärte Streik war im Jahr 1956 mit 400’000 Teilnehmern.

Rund 30’000 Menschen haben am Freitag an einer Grosskundgebung laut Presseberichten teilgenommen, um gegen die Austeritätspolitik der Regierung zu protestieren.




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