Spaniens makroökonomisches Blatt wendet sich. Die
Umstände ändern sich aber aus einer besonders prekären Situation. Als
Antriebskraft steht das Exportgeschäft im Mittelpunkt.
Die Eurozone hat einen natürlichen
Korrekturmechanismus, wenn ein Land als Folge eines vorübergehenden Booms im
Inland (unabhängig von der Ursache) hoffnungslos wettbewerbsunfähig wird,
bemerkt Simon Wren-Lewis in seinem Blog.
Der Mechanismus ist Rezession und die Ökonomen
nennen es “internal devaluation”:
sinkende Löhne und Preise. Das Problem mit diesem Korrekturmechanismus ist,
dass es langsam und schmerzhaft vonstatten geht, insbesondere wenn die
Inflation so niedrig ist.
Die entscheidende Frage ist, was Spanien hätte tun
können, um eine solche schmerzhafte Zeit der Korrektur zu vermeiden. Die
Ursache des Problems war die übermässige Kreditaufnahme im privaten Sektor vor der
Krise, und damit zusammenhängende Kapitalzuflüsse aus der Kern der Eurozone.
Die Entwicklung mündete allmählich in einen Boom im Immobilienmarkt, mit einem
grossen Leistungsbilanzdefizit und einem Anstieg der Inflation.
Spanien hat eine vernünftige makroprudenzielle
Geldpolitik gehabt, wie Matthew C. Klein
in FTAlphaville beschreibt. Mehr von der gleichen hätte wahrscheinlich nicht
ausgereicht.
Was ist aber mit der Fiskalpolitik? Es ist richtig,
zu betonen, dass Spanien sich in haushaltspolitischer Hinsicht nicht
verschwenderisch verhalten hat: Das Land hatte von 2005 bis 2007 einen
Überschuss im Haushalt.
Spaniens Handelsbilanz, Graph: Matthew C. Klein in: FTAlphaville, June 2015
Die Arbeitskosten sind in Spanien seit 2009 um 11%
gegenüber Deutschlands Arbeitskosten gesunken.
Die relevante Zahl sei der zugrunde liegende, um
zyklische Faktoren bereinigte Haushalt (cyclical
adjusted balance): Es war ein anhaltendes, aber ein kleines Defizit, hält
Wren-Lewis mit Hinweis auf die IWF-Daten fest. Es ist allerdings knifflig, was das
strukturelle Defizit betrifft (cyclically-adjusted
balance), auf ex-post Daten im Vorkrisenniveau abzustellen, wegen der Tiefe
und Hartnäckigkeit der Rezession.
Der Fehler, den viele Kommentatoren machen, ist jedoch,
von der Grössenordnung des Fiskaldefizits auszugehen, um die entsprechende
Fiskalpolitik zu werten. Für ein einzelnes Land in einer Währungsunion ist das
Defizit nicht die geeignete Metrik, argumentiert der an der Oxford University lehrende britische Wirtschaftsprofessor.
Die geeignete Metrik ist die nationale Inflationsrate im Vergleich zum
Durchschnitt der Eurozone.
Der BIP-Deflator für die Eurozone war von 2001 bis
2007 im Durchschnitt knapp über 2%. In Spanien hingegen beträgt derselbe Wert
rund 4%. Über sieben Jahre impliziert es einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit
in Höhe von 15%.
Worauf Wren-Lewis in seinem Blog-Eintrag nicht
eingeht, ist die Kehrseite der Medaille: Deutschland hat z.B. das gemeinsam
festgelegte Inflationsziel in der Eurozone im selben Zeitraum signifikant
unterboten, während Spanien es übertroffen hat. Das heisst, dass Deutschland
unter seinen Verhältnissen gelebt hat, während Spanien über seinen
Verhältnissen gelebt hat. Das geht in einer Währungsunion nicht.
Man stelle sich nun die Grössenordung vor, wie
Deutschland sich durch die Unterbietung (via Lohnzurückhaltung) des von der EZB
avisierten Zielwertes (von 2%) für die Inflation Wettbewerbsvorteile geschaffen
hat.
Das muss jetzt korrigiert werden. Es ist daher
intellektuell unredlich, die EU-Länder an der Peripherie aufzufordern, die Last
der Anpassung allein zu tragen: "sie sind schuld an der Misere und sie müssen
handeln". Nein, Deutschland muss auch agieren, und zwar so, dass die Löhne
steigen. Fazit: it takes two to tango.
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