Sonntag, 20. September 2015

Der falsche Ruf nach Zinserhöhung

Wann wissen wir, dass die Zinsen allzu niedrig sind? Wenn es in der Wirtschaft Anzeichen für eine Überhitzungsrisiken gibt. Das heisst, wenn das tatsächlich erzielte Wirtschaftswachstum grösser ist das maximal mögliche Wachstum (Potenzialwachstum).

Ist das heute der Fall? Nein. Im Euro-Raum beispielsweise gibt es, wie die EZB vor ein paar Tagen mitgeteilt hat, eine Produktionslücke (output gap). Ein wesentlicher Teil der Produktionskapazität wird m.a.W. nicht genutzt, was durch die hohe Arbeitslosigkeit reflektiert wird.

In einer schwach wachsenden Wirtschaft bleibt der Gleichgewichtszinssatz tief und die Inflation steigt nicht.

Da die Inflation niedrig ist, verlangen Investoren keinen höheren Zins, um sich gegen die sinkende Kaufkraft zu schützen. Die Situation, in der die Wirtschaft steckt, bestimmt das nachhaltige Niveau der Zinsen, nicht unbedingt die Notenbank, die lediglich die kurzfristigen Zinsen steuert.

Die Zinsen sind also heute nicht künstlich niedrig. Dennoch: Da scheiden sich die Geister.

Tim Taylor deutet auf zwei aktuelle Berichte in seinem Blog hin. Die beiden Beobachtungen beginnen am selben Punkt. Aber sie gehen dann auf unterschiedliche Richtungen hin, was die Schlussfolgerung betrifft.



EUR 5y5y breakeven inflation, Graph: Morgan Stanley


Die eine Analyse stammt von CEA (Council of Economic Advisers). Im July 2015 Bericht heisst es kurz zusammengefasst, dass die sehr niedrigen langfristigen Zinsen v.a. eine Angelegenheit von Angebot und Nachfrage sind, d.h. auf dem Markt für loanable funds, und insbesondere das Ergebnis eines weltweit hohen Angebots an Ersparnissen.



2y inflation swaps, Graph: Morgan Stanley

Die BIS (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) hingegen sagt in ihrem Bericht, dass die sehr niedrigen Zinsen, die so lange vorherrschen, kein Gleichgewicht darstellen, was für eine nachhaltige und ausgewogene globale Expansion förderlich wäre.

Ganz im Gegenteil reflektieren sie nicht die gegenwärtige Schwäche der Wirtschaft, sondern sie tragen zur Entstehung von Booms und Krisen bei, so die BIS weiter. Das Ergebnis sei zu viel Schulden, zu wenig Wachstum und zu niedrige Zinsen.



USD 5y5y breakeven inflation, Graph: Morgan Stanley

Interessant ist, wie Taylor bemerkt, dass keine der Besorgnise, die die BIS mit Nachdruck unterstreicht, das Risiko eines Anstiegs der Inflation betrifft. Das heisst, dass die BIS ihren Ruf nach einer Zinserhöhung nicht mit einem Hinweis auf Inflationsgefahr begründet.

Die BIS-Analyse behauptet, dass die niedrigen Zinsen eine Quelle für schreckliche Verzerrungen in der Wirtschaft bedeuten.

Das ist nicht nur abwegig, sondern auch erstaulich, da die BIS in den vergangenen fünf Jahren eine Straffung der Geldpolitik befürwortet hat, mit der Begründung, weil die Inflation sonst durch die Decke schiessen würde, wie Paul Krugman in seinem Blog daran erinnert.

Im BIS-Bericht aus dem Jahr 2011 heisst es nämlich, dass die sehr lockere Geldpolitik rasch zu einer Bedrohung für die Preisstabilität werde.

Die BIS lag mit ihrer Prognose mehrmals völlig daneben. Was zu erwarten gewesen wäre, dass die BIS sich fragt, was wohl falsch gelaufen ist. Das heisst, dass sie ihre wirtschaftspolitischen Empfehlungen überdenken würde. Nein. BIS fordert stattdessen immer den gleichen (gescheiterten) wirtschaftspolitischen Ansatz, während sie, wie Krugman es auf den Punkt bringt, immer neue Begründungen erfindet.










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