Ein Jahr nach der Krise lässt sich festhalten, dass das Wirtschaftssystem versagt hat. Die Rezession mag inzwischen technisch vorbei sein. Aber die Krise ist nach wie vor zu überall spüren. Überall? Nicht unbedingt. Die Gehaltsexzesse im Finanzsektor sind wieder auf der Tagesordnung, während die Untersicht wächst und der Mittelstand in die Ecke gedrängt wird. Kein Wunder. Schliesslich wurden zur Rettung des Finanzsektors die Gewinne privatisiert und die Verluste sozialisiert. Die Reichen werden folglich reicher und die Armen ärmer. Was ist aber falsch mit dem wachsenden Grad der Ungleichheit, mit sehr reichen Bankers im Besonderen? Gibt es nicht so was wie einen „Trickle-down Effect“? Simon Johnson widmet sich in einem lesenwerten Beitrag im Blog The Baseline Scenario genau dieser Frage („Feudal Lords of Finance“). Er verweist darauf, dass manche Leute heute behaupten, dass die menschlichen Gesellschaften in der Vergangenheit dank der Präsenz von sehr reichen Privatpersonen überlebt haben. Einige gehen sogar so weit, zu behaupten, dass das Vorhandensein einer solchen „neuen Aristoktratie“ helfe, das Wachstum zu finanzieren und Innovationen voranzutreiben.
Diese Argumente sind in drei Dimensionen fehlerhaft, schreibt Johnson: (1) Solche Super-Eliten pflegen nur sehr wenig jemand anderen als sich selbst. (2) Es sei ein Irrtum, anzunehmen, dass die Institutionen (Gesetze, Normen usw.) im einem Land für alle Zeiten festgelegt sind. In Wirklichkeit ändern sich Institutionen die ganze Zeit, bemerkt Johnson, „teilweise als Reaktion auf Reichtum und Macht“. Wie stehen aber die Chancen, dass die Superreichen des Finanzwesens die Demokratie aufbauen und die Mittelschicht stärken würden? (3) „Kann auf die Reichen und Mächtigen insofern gezählt werden, dass sie das System retten, oder nur sich selbst?“ Die frühere Geschichte der Grossen Depression lehrt, dass die grossen New Yorker Players die Banken und Wertschriftenunternehmen gerettet haben, weil sie diese als Teil ihres Clubs betrachteten, erklärt Johnson. Aber weder sie noch die Fed von New York waren geneigt, Institutionen zu retten, die sie nicht für von zentraler Bedeutung hielten, auch wenn Tausende von Menschen ihre Ersparnisse verloren, hebt Johnson hervor.
Als Fazit hält Johnson fest, dass Finanziers mit Macht die Grosse Depression im Ganzen und Grossen prima überstanden haben. Die gegenwärtige Krise führt ferner vor Augen, wie der Vorrang der Demokratie vor Ökonomie untergraben wird. Diese epochale Entwicklung wird im übrigen von Roger de Weck in seinem neuen Buch „ Nach der Krise“ überzeugend dargelegt. Der Markt beherrscht die Wirtschaft, anstatt ihr zu dienen, schreibt de Weck. Die Übermacht der Finanzwelt mit grossem politischen Einfluss bleibt bestehen.
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