Dienstag, 9. Juni 2015

Vorsicht! Ungleichheit und Wirtschaftswachstum

Paul Krugman forscht zur Zeit am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) über das Thema “Ungleichheit”.

Ein in letzter Zeit oft angesprochener Aspekt betrifft heute “Ungleichheit und Wachstum”. Diejenigen, die liberal im amerikanischen Sinne (d.h. sozialdemokratisch) denken, sollten sich vom Wunschdenken nicht ablenken lassen, in dieser Hinsicht falsche Schlussfolgerungen zu ziehen, schreibt Krugman in seinem Blog.

Es würde zu unserem Weltbild perfekt passen, wenn Ungleichheit nicht nur eine schlechte Sache ist, sondern auch schlecht für das Wirtschaftswachstum, bemerkt der NYTimes Kolumnist weiter und lässt damit Vorsicht walten.

Das ist ein Grund, darüber nachzudenken, um zu vermeiden, eine solche Schlussfolgerung all zu leicht zu akzeptieren, hebt der Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften mit Nachdruck hervor.

Was wissen wir aber wirklich?

Es gibt eine Reihe von Studien, die auf eine negative Beziehung hindeuten. Aber alle beruhen auf einem internationalen cross-section Ansatz.



Wie ist die Beziehung zwischen Ungleichheit und Wachstum?, Graph: Paul Krugman in NYTimes


Was stimmt aber damit nicht?

Krugman sagt, dass er Zweifel an der gesamten Regressionsmethode für Wachstum hat, wegen der vielen Probleme mit der Ermittlung der Kausalität. Zur Erinnerung: Auch die ganze Forschungsarbeit von Reinhart und Rogoff über die sog. Schulden-Schwelle von 90% beruht auf derselben Methode.

Abgesehen davon sieht Krugman keine markante, einfache Beziehung zwischen Ungleichheit und Wirtschaftswachstum: Alle Ergebnisse hängen dabei ziemlich davon ab, wie man die Daten zurechtbiegt. Es mag vielleicht richtig sein. Aber es würde damit etwas herausgekritzelt, was tatsächlich nicht da ist.

Krugman erklärt zudem, dass er bei seiner Forschungsarbeit nicht den Gini Index benutzt, sondern die Gornick-Milanovic Daten für private Haushalte ohne Angehörige über 60 verwendet.

Ausserdem bemisst Krugman das reale BIP-Wachstum pro Erwachsene im erwerbstätigen Alter (15-64), weil das rohe BIP pro Kopf von der demographischen Divergenz wesentlich tangiert wird. Und zuletzt bemerkt Krugman, dass er bei seiner Forschungsarbeit die Transformationsländer, die in den 1990er Jahren vom Kommunistischen ins Kapitalistische übergegangen sind, auslässt, weil sie sehr unterschiedliche Stories hätten.

Aus der von Krugman präsentierten Abbildung geht hervor, dass es eine sehr geringe negative Beziehung zwischen Ungleichheit und Wachstum gibt, aber nicht viel.

Grundsätzlich gibt es in den Wachstumsraten insgesamt keinen grossen Unterschied. Die Nordeuropäer mit niedriger Ungleichheit bieten eine Reihe von Beobachtungen an, die sich von den angelsächsischen Ländern mit hoher Ungleichheit nicht merklich unterscheiden.

Im Übrigen schützt niedrige Ungleichheit auch nicht gegen die Finanzkrise. Die Nordic-Länder haben einige grosse Krisen in den frühen 1990er Jahren erlebt. Auch Dänemark und die Niederlande haben eine sehr hohe Verschuldung der privaten Haushalte.

Fazit: Es ist wichtig, zu erkennen, dass das Fehlen einer klaren Beziehung ein grosser Gewinn für progressiv denkende Menschen ist: Die Rechten behaupten nämlich immer, dass jeder Versuch, die Ungleichheit zu verringern, die Stimmung derjenigen, die Arbeitsplätze schaffen beeinträchtige und das Wachstum abwürge. Es gibt aber in den Daten keinen Hinweis darauf.

Krugman fasst daher zusammen, dass er nicht darum bemüht sei, zu behaupten, dass ein Tatendrang gegen die Ungleichheit, die aus sozialen und politischen Gründen ohne Zweifel von entscheidender Bedeutung ist, auch das Heilmittel für viele andere Dinge sei.








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