Die europäischen Regierungen hatten im Jahr 2010
die an Griechenland gewährten Kredite als ein Mittel verwendet, um Banken in
Deutschland und Frankreich zu helfen, schreibt Karl Whelan in einem lesenswerten Eintrag in seinem Blog.
Die ursprüngliche Entscheidung, eine Rettungsaktion
(bail out) bereitzustellen ist seiner
Meinung nach die Quelle der aktuellen Krise. Es ist Zeit, dass die EU sich dazu
bekennt und die Folgen trägt.
In der gegenwärtigen Krise geht es daher überhaupt
nicht um Griechenlands Währungs-Arrangements, unterstreicht der an der University College Dublin lehrende Wirtschaftsprofessor weiter.
Auch Paul
Krugman bemerkt in seinem Blog, dass die griechischen Wähler im
Euro bleiben wollen, während das Unvorstellbare immer mehr plausibel erscheine.
Das hat laut Krugman damit zu tun, dass die Wähler
sich im Allgemeinen durchweg eine starke Währung wünschen. Die Vorteile
erscheinen offensichtlich. Auch ein Element des nationalen
Stolzes gehört dazu.
Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit
im Euro-Raum, Graph: Karl Whelan
Es liegt auf der Hand, dass die Schwierigkeiten,
die eine überbewertete Währung auslöst, unmittelbar im Export-Geschäft spürbar
sind.
Das griechische Volk fordert aber keine Rückkehr
zur Drachme, wie Whelan hervorhebt, obwohl es im Land einige geben mag, die die
Wettbewerbsvorteile einer Abwertung ins Auge fassen.
Griechenland hat keine formalen Regeln verletzt,
was zu einem Exit aus dem Euro führen würde, zumal der Euro eine festgelegte
und unwiderrufliche Währungsunion ist, so Whelan.
Gibt es aber empirische Evidenz, die die Idee
unterstützt, dass die Wähler starke Währung bevorzugen? Ja, sagt Krugman und
deutet auf eine Umfrage aus dem Jahr 1985, als der USD sehr stark war. Es kam
sogar zu einem Treffen von G5 im Hotel Plaza, wo die Teilnehmer sich einigten,
den USA Wechselkurs zu schwächen. 64% der Amerikaner, die befragt wurden,
antworteten mit “gut” auf die Frage, ob ein starker US-Dollar gut oder schlecht
für das Land ist.
Wenn die griechischen Wähler gegen die Idee einer
neuen Drachme sind, dann sind sie auch gegen einen schwachen Euro.
Mit Bezug auf den derzeit viel zitierten “Grexit”
sagt Heiner Flassbeck in einem
lesenswerten Interview mit ARTE, dass die gegenwärtige
Diskussion sinnlos sei, da sie nicht den Kern trifft und destruktiv ist.
Der Wettbewerbsvorteil, den Deutschland mittels
Lohndumping bekommen hat, ist die eigentliche Ursache der Eurokrise, bekräftigt
der ehemalige Chef-Volkswirt der UNCTAD in Genf. Die deutsche Wirtschaftspolitik
ist eine echte Gefahr für Europa. Die Rolle Deutschlands müsse endlich
beleuchtet werden, argumentiert Flassbeck weiter.
Auch Simon
Wren-Lewis nimmt zum Thema “Grexit” via
Twitter Stellung und vertritt die
Ansicht, dass die beste Möglichkeit für die Gläubiger, etwas Geld
zurückzubekommen, das Wirtschaftswachstum in Griechenland zu fördern ist. Die
von Brüssel und Berlin aufgezwungene Austeritätspolitik, die die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage abwürgt, ist deshalb genau die falsche Massnahme,
legt der an der Oxford University in
Grossbritannien forschende Wirtschaftsprofessor dar.
Der um konjunkturelle
Effekte bereinigte Haushaltssaldo Griechenland, Graph: Paul Krugman in: NYTimes
Es ist äusserst ungerecht, wenn Menschen behaupten, dass Griechenland nichts unternommen hat, um sich anzupassen, erklärt Krugman weiter. Ganz im Gegenteil hat sich Athen einer harschen Austerität und erheblichen Reformen unterworfen. Man mag zwar einwenden, dass die Ergebnisse zeigen, dass Griechenland nicht genug getan hat.
Letztes Jahr hat Griechenland aber einen
Primärüberschuss erreicht. Und in diesem Jahr ist das Land wieder in
Primärdefizit gerutscht. Gemessen am Haushaltssaldo, wenn die Zinszahlungen
nicht berücksichtigt werden, und die Wirtschaft Vollbeschäftigung hätte, ist
Griechenland laut Krugman in der Eurozone (2014) das fiskalpolitisch
verantwortlichste Land überhaupt.
Warum steckt das Land aber in einer Finanzkrise?
Weil die Wirtschaft schwer angeschlagen ist (depression): Die stumpfsinnige
Austeritätspolitik. Solange Griechenland im Euro bleibt, sind keine schnellen
Ergebnisse zu erwarten, genau wegen der Euro-Zwangjacke.
Im Grunde genommen war es nie eine Finanzkrise vom
Ursprung her. Es ist richtig, dass Griechenland über seine Verhältnisse gelebt
hat. Aber Deutschland hat dramatisch tief unter seinen Verhältnissen
gelebt. Das geht in einer Währungsunion nicht.
So entstanden Ungleichgewichte in der Eurozone: Das eine
Land hat Überschüsse erzielt, während der Rest Defizite in der Leistungsbilanz eingefahren
hat. Daraus resultierten Haushaltsprobleme, die die europäischen Entscheidungsträger
gestützt auf die neoliberale Ideologie ins Zentrum der EU-Agenda rückten.
Seither wird das Problem in einem moralischen Gewand gekleidet verkauft: Wer Schulden hat, hat gesündigt und muss leiden. Die
eigentliche Ursache der Eurokrise wird also “hellenisiert”, während die Öffentlichkeit weiter leidet.
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