Samstag, 6. Juni 2015

Steckt die Wirtschaft immer noch in einer Liquiditätsfalle?

Paul Krugman bezeichnet als Liquiditätsfalle eine Situation, in der die herkömmliche Geldpolitik nicht mehr funktioniert, wenn die nominalen Zinsen nahe null liegen. Das flüssige Geld wird trotz der besonders niedrigen Zinssätzen nicht für Investitionen angeboten.

Die Öffentlichkeit ist aber mit Liquidität gestättigt, dadurch dass die Notenbank durch QE Staatspapiere im offenen Markt kauft. Und die Öffentlichkeit hält am flüssigen Geld als Wertaufbewahrungsmittel fest. Die Notenbank ist daher nicht in der Lage, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln, zumal das liquide Geld hierbei zu einem perfekten Ersatz für Anleihen wird.

Was die Notenbank mit Offenmarktgeschäften macht, ist nichts anderes als Austausch eines Vermögenswerts (short-term bonds), der keinen (oder nur wenig) Zins abwirft durch einen anderen Vermögenswert (cash) bzw. Notenbankgeldmenge (monetary base), der ebenfalls keinen Zins trägt. Notenbanks Bemühungen entfalten also, wenn die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt, keine Wirkung. Die Liquiditätsfalle bedeutet deshalb, dass selbst die Zinsen, die nahe null liegen, nicht genug tief sind, Vollbeschäftigung in der Wirtschaft wiederherzustellen.

Brad DeLong schreibt dazu in einem aktuellen Beitrag in seinem Blog, dass Krugman damit Recht hatte. „Ich, Ken Rogoff, Marty Feldstein und viele, viele andere lagen falsch. Warum aber lagen wir alle falsch? Immerhin haben wir auch dasselbe Wirtschaftsmodell „Hicks-Hansen-Wicksell-Metzler-Tobin“ gelernt und gelehrt“, worauf sich Krugman für seine Begründung und Erklärung der Liquiditätsfalle beruft.

DeLong nimmt damit Anstoss an Krugmans Argumentation, dass selbst moderat konservative Ökonomen (wie z.B. Martin Feldstein) heute sechs Jahre danach nicht einsehen wollen, auch wenn sie die Theorie der Liquiditätstheorie damals für falsch hielten, dass er, Krugman, Bernanke, Woodford und Eggertsson mit ihrer Einschätzung der Liquiditätsfalle richtig lagen.




Liquiditätsfalle, Graph: Paul Krugman in NYTimes


Was auch immer auf kurze Sicht im Gange sein mag, muss vorübergehender Natur sein, mässig in der Wirkung und begrenzt in Bezug auf die Wegstrecke. Es kann die Wirtschaft von deren angemessenem Gleichgewicht wegbringen. Und es kann die Wirtschaft sicherlich dort halten. Aber nicht für lange, erklärt DeLong weiter.

Was der an der University of California, Berkeley lehrende Wirtschaftsprofessor suggeriert ist, dass die Inflationistas Recht hätten: Es sei also doch rätselhaft, warum die Inflation immer noch nicht steige.

Krugman erläutert als Antwort auf DeLong, dass es wahr ist, dass das Hick’sche Modell i.d.R. kurzfristig angewandt werde und quasi statisch sei und man befürchten möge, dass die Schlussfolgerungen daraus sich nicht gut behaupten können, wenn man die Erwartungen in Bezug auf die Zukunft mitberücksichte.

Doch die Theorie der Liquiditätsfalle funktioniere nach Krugmans Erfahrung auch in New Keynesian Modells, weil die These, wonach ein Anstieg der Notenbankgeldmenge (monetary base) zu einem Anstieg des Preisniveaus führe, sich auf einen permanenten Anstieg beziehe. Wenn aber der Anstieg der monetären Basis als vorübergehend wahrgenommen werde, gebe es keine Auswirkung (auf das Preisniveau) an der Nullzinsgrenze (zero lower bound), weshalb Krugman Japan 1998 in einer Studie aufgefordert hat, „glaubhaft zu versprechen, unverantwortlich“ zu agieren. Das heisst, den Eindruck zu erwecken, wie wenn die Ausweitung der Notenbankgeldmenge von permanenter Natur wäre, um auf diese Weise das Inflation Target zu erreichen.

Auch Mark Thoma steigt in die Debatte ein, und sagt, dass theoretische Modelle oft so wirken, als ob es nur eine Art von Nachfrageschock gäbe und die kurze Sicht von einer einzigen Variablen abhängen würde, d.h. einer Zeitdauer, wenn die Inflationserwartungen falsch sind. Aber die kurze Sicht hängt von der Art der Rezession ab, die wir erleben und die Variable, die auf die Länge der Erholung hindeutet, nicht dieselbe ist wie in jedem Fall, legt der an der Oregon University lehrende Wirtschaftsprofessor dar.

Eine monetär induzierte Rezession hat eine viel kürzere kurze Sicht als eine Bilanz-Rezession (balance sheet recession), verursacht durch eine Finanzkrise. Und eine Rezession, die durch einen Ölpreis-Schock verursacht wird, erholt sich unterschiedlich als in den ersten beiden erwähnten Fällen.

Am Anfang der Great Recession erkannten politische Entscheidungsträger, Analysten und die meisten Ökonomen nicht ganz, dass diese Rezession wirklich anders war und daher ein anderer politischer Ansatz forderte als der Ansatz für die Rezessionen in der Vergangenheit, so Thoma.

Die Vorstellung einer Bilanz-Rezession griff erst im Verlauf der Zeit. Und wir haben keine Fiskal-Politik eingesetzt, um mit dieser Tatsache umzugehen. Eine der grossen Lehren aus der Great Recession ist, dass wir herausfinden müssen, welcher Art von Rezession wir gegenüberstehen und erkennen, dass die „kurze Sicht“ von der entscheidenden Art von Schock, der die Rezession verursacht, abhängt. Und wir passen dann unsere Richtlinien dementsprechend an, hält Thoma als Fazit aus der Debatte fest.

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