Keynesianische Ideen sind ziemlich Mainstream woanders.
Warum ist aber Makroökonomie in Deutschland ein Ausreisser? Das ist eine Frage,
die
Simon
Wren-Lewis in seinem Blog aufwirft. Angesichts der Schäden,
die die Austerität in der Eurozone, v.a. vorangetrieben durch Berlin angerichtet hat, ist es eine berechtigte
Frage.
Die Lehrbücher über Makroökonomie in Deutschland
sind so keynesianisch wie anderswo. Doch Peter
Bofinger ist der einzige Keynesianer im Sachverständigenrat, erstaunt der
an der Oxford University lehrende
Wirtschaftsprofessor.
Es gibt laut Wren-Lewis zwei Erklärungen, die
ausserhalb Deutschlands beliebt, jedoch unzureichend sind. (1) Deutschland ist
in Sachen Inflation durch die Erfahrung der Hyperinflation der Weimarer
Republik voreingenommen. Und das prägt auch die deutsche Haltung gegenüber
Staatsschulden. Die Rezession der 1930er Jahre hat eine viel schlimmere
Katastrophe ausgelöst. Aber die Erinnerung an die Hyperinflaton ist bleibt
vorherrschend.
(2) Die Deutschen sind kulturell Schulden gegenüber abgeneigt.
Und debt (Schulden) auf Englisch
bedeutet auf Deutsch zugleich auch Schuld.
Das Problem mit beiden Stories ist, dass
Deutschlands Staatsverschuldung niedriger sein sollte als in anderen Ländern.
Aber es ist nicht.
Im Jahr 2000 waren die Netto-Verbindlichkeiten der
deutschen Bundesregierung als Prozentsatz des BIP so hoch wie die von Frankreich
und etwas mehr als von Grossbritannien und der USA.
Es ist so, wie wenn wirtschaftliches Denken in
Deutschland in mancher Hinsicht seit den 1970er Jahren nicht vom Fleck gekommen
wäre, legt Wren-Lewis dar: keynesianische Ideen werden immer noch als
anti-Markt angesehen, nicht als Mittel zur Korrektur des Markt-Versagens.
Es wäre leicht, Ordoliberalismus (*) mit
Neoliberalismus gleichzusetzen. Eine der Besonderheiten der deutschen Wirtschaft
scheint aber sehr weit weg von Neoliberalismus zu sein. Man denke an die
Mitbestimmung: die Bedeutung der Arbeitnehmerorganisationen im Management und
ganz allgemein die Anerkennung, dass die Gewerkschaften eine wichtige Rolle in
der Wirtschaft spielen, argumentiert Wren-Lewis weiter.
Doch wundert sich der britische Ökonom, ob dies
eine unbeabsichte Folge hat: die Polarisierung und Politisierung der
wirtschaftspolitischen Beratung.
Wenn Lohnverhandlungen auf nationaler Ebene institutionalisiert
geführt werden, ist der Einfluss der Ideologie auf die Wirtschaftspolitik wahrscheinlich
vorprogrammiert, mehr als sonst, lautet sein Fazit.
(*) Ordoliberalismus
erkennt tatsächliche Abweichungen von einem Ideal der perfekten Märkte und die
Notwendigkeit, damit (wie z.B. mit Monopol) zu handeln. Und er ist daher
möglicherweise viel mehr zugänglich zu neukeynesianischen Ideen als dem
Neoliberalismus.
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