Samstag, 18. Oktober 2014

Was die Märkte uns wirklich sagen

Paul Krugman befasst sich in seiner lesenswerten Kolumne („What Markets Will“) am Freitag in NYTimes mit Marktfundamentalisten, die uns ständig erzählen, dass der Staat seine Bemühungen unterlassen soll, um Schmerzen und Leid, die durch die Wirtschaftskrise ausgelöst werden, zu lindern.

Die Märkte scheinen aber nie damit einverstanden, dass die menschliche Opfer dafür notwendig seien, erklärt der von der Princeton University zu der City University of New York (CUNY) gewechselte Wirtschaftsprofessor.

Im Übrigen, wie reagieren die politischen Kreuzfahrer darauf, dass ihre düsteren Vorhersagen (z.B. in Bezug auf die Inflation und das Haushaltsdefizit) bislang immer daneben gingen? Vor allem mit Verleugnung, gelegentlich sogar mit Verzweiflung, legt Krugman weiter dar.

Alan Greenspan zum Beispiel hat einst erklärt, dass es bedauerlich sei, dass die Zinsen und die Inflation nicht durch die Decke geschossen sind. Seine Begründung: sonst werde damit ein falsches Gefühl von Selbstzufriedenheit erzeugt. Das war vor mehr als vier Jahren. Vielleicht war das Gefühl der Selbstzufriedenheit laut Krugman aber gar nicht so falsch. Oder?

In der Tat ist die wirkliche Botschaft des Marktes, wenn man genau hinschaut, so, dass wir ein höheres Haushaltsdefizit auflaufen lassen und mehr Geld drucken sollen. Und diese Botschaft wurde in den letzten Tagen sogar stärker. Wovon Krugman redet, ist, dass die Zinsen als blinkende Warnung nicht auf haushaltspolitische Krise oder galoppierende Inflation, sondern auf Depression und Deflation hindeuten.



Notenbankgeldmenge (Geldbasis) in den USA, Graph: Prof. Paul Krugman

Wo ist die Inflation?

Ganz offensichtlich sind langfristige Zinsen, Renditen der US-Staatsanleihen mit 10 und mehr Jahren Laufzeit, Zinssätze also, von denen die üblichen Verdächtigen uns ständig erzählen, dass sie stark steigen würden, falls wir die Staatsausgaben nicht sofort kürzen, stark gesunken.

Das besagt, dass die Märkte sich um das Thema Zahlungsunfähigkeit (default ) überhaupt keine Sorgen machen, sondern auf die anhaltende Schwäche der Wirtschaft hindeuten, was übrigens die Fed davor zurückhält, die (von der Notenbank kontrollierten kurzfristigen) Zinsen zu erhöhen.

Es ist lehrreich, auch auf die Zinsen der inflationsgeschützten Staatsanleihen (TIPS) einen Blick zu werfen, so Krugman: Diese verkünden heute zwei Sachen:

(1) Die Märkte betteln die Regierungen praktisch an, sich Geld zu leihen und zu investieren, z.B. in Infrastrukturprojekte. Die Zinsen der inflationsgeschützten Anleihen notieren knapp über null, sodass die Finanzierung von Strassen, Brücken und Kanälen fast zum Nulltarif käme.

(2) Die Differenz zwischen den Renditen der nominalen US-Staatsanleihen (UST) und den Renditen der inflationsgeschützten Staatsanleihen (TIPS), die ja Inflationserwartungen zeigt, in den vergangenen Monaten stark zurückgegangen ist. Das wiederum bedeutet, dass die anhaltende niedrige Inflationsrate weit unterhalb der Zielinflationsrate der Fed verläuft.


Staatsausgaben im Verhältnis zum BIP in den USA, Graph: Prof. Paul Krugman

Staatsausgaben gehen zurück. Sie explodieren nicht.

Der Markt sagt uns im Grunde genommen, dass die Fed nicht einmal annähernd genug Geld druckt, fasst der im Luxembourg Income Study Center forschende Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften als Fazit zusammen.

Auf jeden Fall, wenn jemand Ihnen das nächste Mal sagt, dass wir etwas unternehmen müssen, um die Märkte zu beruhigen, fragen Sie sich,  woher diese Person es wisse. In Wahrheit ist es so, dass diejenigen, die darüber reden, was die Märkte wollen, eigentlich versuchen, uns anpöbeln, zu tun, was sie selbst wollen.

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