Die gegenwärtig
anhaltende Flaute der Wirtschaft beschäftigt Ökonomen auch noch sechs Jahre
nach dem Ausbruch der Finanzkrise. Die Frage ist: Warum bleibt die Erholung der
Wirtschaft so schwach? Und: Warum verharrt die Arbeitslosigkeit auf einem so hohen
Niveau?
Jared Bernstein erklärt in
einem lesenswerten Artikel („How the
jobless rate underestimates the economy’s problems“) in NYTimes,
warum es wichtig ist, die besondere Beschaffenheit der Lesser Depression adäquat zu messen.
Erstens ist es
im Hinblick auf die Geldpolitik wichtig: Denn die Fed versucht, die Wirtschaft
seit langer Zeit mit unkonventioneller Geldversorgung anzukurbeln. Die
geldpolitischen Entscheidungsträger müssen wissen können, wann es als sicher gilt,
auf die geldpolitische Bremse zu treten, damit es nicht zu einer Überhitzung
der Wirtschaft kommt.
Zweitens wollen
auch die Regierungen, Unternehmen, Arbeitgeber
und Investoren einschätzen können, wie die wirtschaftliche Entwicklung
in naher Zukunft aussieht, damit sie dementsprechend planen können, was die Variablen
für Beschäftigung, Umsatz, Haushaltsausgaben usw. betrifft.
Drittens muss die
Volksvertreter im Parlament die Beschaffenheit der wirtschaftlichen Flaute
kennen, um darauf mit geeigneten wirtschaftspolitischen Massnahmen angemessen reagieren
zu können, wie z.B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und weiteren Vorkehren zur
Arbeitsplatzbeschaffung.
Bernstein
vertritt die Ansicht, dass es heute nicht
mehr ausreicht, einen Blick auf die Arbeitslosenquote zu werfen und ein
paar Massnahmen anzukündigen. Denn es gibt derzeit spezielle Faktoren, die dazu
beitragen, dass die Arbeitslosenquote die anhaltende wirtschaftliche Flaute
nicht angemessen wiederspiegeln kann.
Es gibt v.a. drei
spezielle Faktoren, die die Signale, die die Arbeitslosigkeit sendet,
verzerren:
(1) Es gibt über sieben Millionen Menschen, die unfreiwillig
eine Teilzeitarbeit leisten. Das entspricht in den USA derzeit einem Wert von 5%
der gesamten Arbeitskraft: Menschen, die gern Ganztagsarbeit machen würden, aber
keine Vollzeitstelle finden. Es gilt, sich zu vergegenwärtigen, dass das von
der Arbeitslosigkeit nicht erfasst wird.
(2) Der zweite Faktor hat mit
Erwerbsquote zu tun. Gibt man die Stellensuche auf, wird man von der Statistik
der Arbeitslosigkeit nicht mehr mitberücksichtigt. Es gibt viele Menschen, die zu
der gesamten Arbeitskraft nicht mitgezählt werden, weil sie wegen der
anhaltenden Flaute wegfallen. Wegen der künstlich niedrigen Arbeitslosenquote
sieht dann der Arbeitsmarkt nicht mehr so schwach aus.
Das Verhältnis
der Beschäftigten zur Bevölkerung im erwerbstätigen Alter ist in den USA in den
letzten Jahren von 66% auf 63% gesunken. Wie viel davon ist aber auf die
wirtschaftliche Flaute und wie viel auf strukturelle Faktoren zurückzuführen? Jan Hatzius, Goldman Sachs denkt, dass 1%
davon mit der ökonomischen Flaute zu tun hat. Das würde bedeuten, dass die
Arbeitslosigkeit in den USA zur Zeit rund 7% beträgt, was wiederum zusätzliche
Arbeitslose in Höhe von 1,6 Millionen heisst.
(3) Der dritte Faktor wird in
einer lesenswerten Forschungsarbeit
(„Wages and Labor Market Slack“) von David Blanchflower und Adam Posen dargelegt: Lohnwachstum, und
zwar das schwache Wachstum der Löhne in den vergangenen Jahren.
Man würde meinen,
dass es zwischen der Arbeitslosenquote und dem Lohnwachstum eine negative
Korrelation gibt: Je angespannter Arbeitsmarkt ist, desto schneller wachsen die
Löhne. Die Autoren vertreten die Meinung, dass die Leute, die die Jobsuche
aufgeben und den Arbeitsmarkt verlassen, in Bezug auf die Flaute der Wirtschaft
trotzdem eine Rolle spielen. Blanchflower und Posen zeigen, dass die
Inaktivität der Arbeitskräfte konsequenterweise mit Löhnen korreliert, was nahelegt,
dass ein wesentlicher Anteil der Arbeitskräfte, die den Arbeitsmarkt verlassen,
zur wirtschaftlichen Flaute beitragen.
Die Ökonomen
sagen, dass ein signifikanter Teil der amerikanischen Arbeitnehmer, die inaktiv
werden, nicht als „für immer vom Arbeitsmarkt weg gegangen“ betrachtet werden
sollen. Denn wenn die Nachfrage steigt und dadurch neue Arbeitsplätze
geschaffen werden, werden diese Leute wieder in den Arbeitsmarkt zurückkommen.
In einer Welt,
in der es zu einem raschen Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit kommt,
müssten die Löhne wegen des negativen Schocks in Bezug auf das Arbeitsangebot
steigen. Wenn der Anstieg der Inaktivität aber im Wesentlichen zyklisch ist,
erlebt der Arbeitsmarkt einen abwärtsgerichteten Druck auf die Löhne, weil
nämlich die Möglichkeit besteht, dass diese inaktiv gewordenen Arbeitskräfte
zum Arbeitsmarkt zurück kommen.
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