Donnerstag, 30. Oktober 2014

Eurozone braucht keine angebotsorientierte Konzeption

Die Arbeitslosigkeit in der Eurozone ist heute höher als in 2009-2010. Das reale BIP ist immer noch tiefer als das Niveau im Jahr 2008. Mittlerweile stellt sogar Deflation eine grössere Gefahr als die Inflation dar.

Es ist keine Frage, dass es um die europäische Wirtschaft nicht gut bestellt ist. Bemerkenswert ist aber, dass die gegenwärtige makroökonomische Wirtschaftspolitik der Eurozone zur Zeit im angelsächsischen Raum mehr Anlass zu Diskussion gibt als im Kontinentaleuropa selbst.

Alan Blinder schreibt in einem lesenswerten Artikel („Enough with European Austerity, bring on the stimulus“) in WSJ, dass er sich i.d.R. in die Wirtschaftspolitik anderer Länder nicht einmischt. Er möchte aber eine Ausnahme, was die Eurozone betrifft. Aus zwei Gründen: (1) weil die Wirtschaftspolitik sich auch auf die anderen Länder auswirkt und (2) die Fehler dabei nur zu offensichtlich sind.

Der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor unterstreicht, dass die deutsche Wirtschaft zwischen 2008 und 2013 insgesamt um 2,2% gewachsen ist, nicht jährlich um 2,2%. Die deutsche Wirtschaft mag heute gut aussehen, aber nur weil der Rest der Eurozone schlecht aussieht.

Deutschlands vergleichbare Performance ist von Reformen getragen, die vor dem Ausbruch der Krise realisiert wurden, nicht während der Eurokrise, hebt Blinder hervor. Seiner Ansicht nach bietet die deutsche Wirtschaftspolitik daher kein Vorbild für Europa. Doch verhindert die „deutsche Besessenheit von der Austerität“ das gesamte Wirtschaftswachstum in der Eurozone zurück, so Blinder.

Dass die Erholung der Wirtschaft nicht vorankommt, hat damit zu tun, dass Deutschland andere EU-Länder drängt, mitten in einem schweren Abschwung Haushaltskonsolidierung anzustreben. Der harsche Sparkurs (budgetary austerity program) lastet auf dem Wachstum der Eurozone.

Der ehemalige Vize-Vorsitzende der US-Notenbank hält die Idee für Strukturreformen an sich nicht für schlecht. Aber der besondere Fokus auf strukturelle Reformen, während die Wirtschaft bereits in einer Rezession steckt, reflektiert seiner Meinung nach Verwirrung zwischen den längerfristigen angebotsseitigen und kurzfristigen nachfrageseitigen Massnahmen:

Strukturelle Massnahmen dienen dazu, die Fähigkeit eines Landes zu erhöhen, Güter und Dienstleistungen anzubieten, d.h. die Produktivität zu steigern, was langfristig wichtig ist. Kurzfristig gibt es aber reichlich ungenutzte Kapazität in der Eurozone, wenn die Wirtschaft in Depression steckt. Heute ist daher Nachfrage-Stimulus notwendig. Die Lösung auf der Angebotsseite zu suchen, ist deshalb nicht angebracht.

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