Samstag, 30. August 2014

Warum ignorieren die EU-Behörden die Lehren aus der Weltwirtschaftskrise?

Wenn man über die Euro-Krise nachdenkt, ist es angemessen, die Eurozone als Ganzes zu betrachten. Was aber dabei öfters in Vergessenheit zu geraten scheint, ist die Tatsache, dass die EU eine Währungsunion ist, wo die EU-Staaten die Führung der Geldpolitik an die EZB übertragen und sich stattdessen auf die Einhaltung eines gemeinsam festgelegten Inflationszielwertes einigen.

Wenn ein EU-Land (z.B. durch Lohn-Dumping) die Ziel-Inflationsrate der EZB auf lange Sicht unterbietet, kann es seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Das gilt z.B. für Deutschland von 2000 bis 2007, wie Simon Wren-Lewis in seinem Blog mit der folgenden Abbildung darlegt. Während Frankreich sich an die gemeinsamen Regeln gehalten hat, hat Deutschland die Lohnstückkosten gesenkt. In Frankreich sind die Löhne im Einklang mit der Produktivität angestiegen. In Deutschland hat der Druck auf die Löhne die Binnennachfrage  geschwächt und die Beschäftigung vermindert.

Die Eurozone, die in Deflation rutscht, leidet nun unter einem chronischen Mangel an Gesamtnachfrage. Die OECD schätzt die Produktionslücke (output gap) 3,5% für 2013.

Die EU-Behörden, die mit der Geldpolitik nicht noch weiter gehen wollen und die Fiskalpolitik aus ideologischen Gründen ablehnen, ignorieren damit die Lehren aus der Great Depression 1920/1930 (Weltwirtschaftskrise) ignoriert werden, wie der an der Oxford University lehrende Wirtschaftsprofessor unterstreicht.


Lohnstückkosten in der Eurozone und wie Deutschland den Rest der Eurozone an die Wand drückt, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis

Statt Fiscal Stimulus setzt die EU wider besseren Wissens Austeritätspolitik um, auferlegt durch den (deflationären) Stabilitäts- und Wachstumspakt (SGP). Die EU-Behörden lassen zugleich auch die zweite Lehre aus der Great Depression (und dem Gold Standard) ausser Acht, dass die Anpassung der Kosten und Preise durch Deflation und Lohnkürzungen schwer ist  und unnötige Schmerzen verursacht.

Da die Schuldnerländer und die Gläubigerländer in der Eurozone nicht über eine eigene Währung verfügen, ist Abwertung wie damals in den 1930er Jahren als Lösungsweg nicht verfügbar.

Anpassung ist jedoch viel weniger kostspielig erreichbar, wenn die Preise in den Ländern, die „zu konkurrenzfähig“ sind, steigen, und in den Ländern, die nicht konkurrenzfähig sind, sinken. Das bedeutet in der Praxis, dass die Inflation in Deutschland auf 3% steigen, während sie im Rest der Eurozone sich auf 1% belaufen würde, damit die Inflation im Durchschnitt rund 2% beträgt.

Prof. Wren-Lewis spricht in seinem Beitrag nicht einmal über die Schulden oder Strukturreformen. Warum nicht? Weil sie von dem aktuellen Problem ablenken: die unzureichende gesamtwirtschaftliche Nachfrage und die Inflation, die deutlich unter der Ziel-Inflationsrate (target inflation) der EZB liegt.

Die wichtigsten zwei Lehren aus der Weltwirtschaftskrise (The Great Depression) legen nahe, dass es einer expansiven Fiskalpolitik bedarf, um die Wirtschaft aus der Liquiditätsfalle zu holen. Darauf zu bestehen, dass die Schuldnerländer die Kosten der Anpassung tragen, löst hingegen viel menschliches Leid aus, und zwar unablässig.


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