Donnerstag, 28. August 2014

Frankreich-Bashing: Affektiertes Hobby der Eurokraten

Es dürfte jedem, der die öffentliche Debatte über die Euro-Krise aufmerksam verfolgt, aufgefallen sein, wie heftig insbesondere über Frankreich hergezogen wird. Es wäre nicht übertrieben, zu sagen, dass es fast zum guten Ton gehört, nicht nur am Stammtisch, sondern auch im Allgemeinen unter weisen Menschen Frankreich-Bashing zu betreiben.

Das ganze Geschehen wird aber allmählich so bizarr, dass man nur noch mit Achseln zucken kann: Frankreichs Präsident Hollande ergreift nach jahrelanger Untätigkeit plötzlich harsche Massnahmen. Alle, die seine Unterwürfigkeit gegenüber Forderungen aus Deutschland und der EU in Frage stellen, werden aus der Regierung entlassen.

Was geht aber in Frankreich eigentlich ab? Stimmen die pauschalen Aussagen, wonach Frankreichs Wirtschaft eine Katastrophe ist?

Es ist vor diesem Hintergrund aufschlussreich, einen Blick auf Paul Krugmans Blog zu werfen, wo sich heute der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor mit dem Thema befasst und einige Parameter durchleuchtet. Überraschungen sind sicherlich vorprogrammiert:

Arbeitsmarkt:

Frankreich hat einen niedrigen Arbeitskräfte-Anteil (im Vergleich zu den USA) durch relativ alte Menschen (dank grosszügiger Rentenversicherung) und junge Menschen (zum Teil wegen der grosszügigen Sozialhilfe, sodass nur wenige während des Studiums arbeiten (müssen), zum Teil wegen des Mindestlohnes und anderer Faktoren, sodass die Jugengbeschäftigung nicht besonders gefördert wird).

Wie sieht es aber mit Arbeitskräften im besten Alter (prime-age workers; 25-54) aus? Frankreich hat einen deutlich höheren Anteil. Ein Land in der Krise?




Lohnstückkosten in der Eurozone im Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman

Wettbewerbsfähigkeit:

Ist Frankreich auf dem Weltmarkt nicht sehr konkurrenzfähig? Frankreichs Leistungsbilanzdefizit ist gering und v.a. deutlich kleiner als das der USA.

Bemerkenswert ist, dass Frankreich sich an die Spielregeln der EU eingehalten hat. Während die Kosten und die Preise in Südeuropa durch die Decke schossen, lag Frankreich im Durchschnitt. Nun wo Südeuropa in Deflation gerät, während Deutschland sich weigert, etwas mehr Inflation zu zulassen, entsteht überall in der Eurozoe eine deflationäre Tendenz. Es ist aber nicht Frankreichs Schuld, sondern ein Problem der Gemeinschaftswährung.



Frankreich Kerninflation, Graph: Prof. Paul Krugman


Deflation:

Die Inflation fällt auch in Frankreich. Es handelt sich dabei aber um ein nachfrageseitiges Problem, nicht angebotseitiges, wie Hollande einmal dargelegt hat.

Anleihemärkte:

Frankreich muss sich vor Bond Vigilantes nicht befürchten. Die Renditen der französischen Staatsanleihen verharren derzeit auf einem historisch niedrigen Niveau.

Fazit: Setzt Hollande noch mehr „Gürtel-enger-schnallen“-Politik um, schwächelt die Auteritätspolitik das Wirtschaftswachstum, was die haushaltspolitischen Aussichten verschlechtert, was wiederum nach noch mehr Austerität ruft.

Was Frankreich belastet, ist laut Krugman Hypochondrie; der Glaube, dass es eine Krankheit hat. Die Hypochondrie führt dazu, Heilmittel zu akzeptieren, die die eigentliche Ursache der Notlage sind.



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