Seit mehr als drei Jahrzehnten hat
jeder, der in der amerikanischen Politik etwas zu sagen hat, der Ansicht
zugestimmt, dass höhere Steuern für Reiche und verstärkte Sozialhilfe für Arme
das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen.
Es gibt aber immer mehr neue Beweise
dafür, dass die gesamte Prämisse dieser Debatte falsch war, betont Paul Krugman in seiner lesenswerten
Kolumne („Inequality is a drag“) am
Freitag in NYTimes.
Aktuelle Analysen kommen aus
Orten wie z.B. dem Internationalen Währungsfonds (IWF),
dass die starke Ungleichheit auf dem Wachstum lastet und dass die Umverteilung
gut für die Wirtschaft ist.
Die neue Ansicht wird auch von Standard & Poor’s geteilt: Laut einer
letzte Woche vorgelegten Analyse gilt hohe Ungleichheit als Wachstumshindernis.
Wie ist es aber möglich?
Verringern die Besteuerung der Reichen und die Handreichung für die Arme nicht
den Anreiz, Geld zu verdienen? Nun, ja, es ist so, dass extreme Ungleichheit
vielen Menschen die Chance beraubt, sich selbst zu erfüllen.
Man denke darüber nach: Haben
talentierte Kinder in amerikanischen Familien mit geringerem Einkommen die
gleiche Chance, die richtige Ausbildung zu bekommen, um die richtige Karriere einzuschlagen, um höher auf der Leiter zu kommen? Natürlich nicht.
Extreme Ungleichheit bedeutet eine Verschwendung von Human Ressourcen, so der
am Graduierten Zentrum der City
University of New Work (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor.
Und Regierungsprogramme, die die
Ungleichheit reduzieren können, machen die Nation als Ganzes reicher, durch die
Verringerung der Verschwendung.
Man betrachte z.B. die
Lebensmittelgutscheine: Die Konservativen behaupten ständig, dass durch die
Verteilung von Essensmarken der Anreiz zum Arbeiten reduziert werde. Die
historische Beweislage lässt in der Tat so einen Schluss zu, dass
Lebensmittelbons für alleinerziehende
Mütter die Bemühungen, zu arbeiten, irgendwie senken.
Aber es liegt zugleich nahe, festzuhalten,
dass die Amerikaner, die Zugriff auf Lebensmittelmarken hatten, gesünder
heranwachsende und leistungsfähigere Kinder haben, was bedeutet, dass sie einen
grösseren wirtschaftlichen Beitrag leisten,
erklärt der im Luxembourg Income Study Center forschende Träger des Wirtschaftsnobelpreises.
Der Zweck des food-stamp-Programms war von Anfang an,
die Elend zu beschränken. Aber es ist ein guter Hinweis, darauf zu achten, dass es auch
für das amerikanische Wirtschaftswachstum gut war.
Dasselbe gilt laut Krugman auch
für Obamacare. Subventionierte Versicherung mag manche Menschen veranlassen, die
Anzahl der Arbeitsstunden zu reduzieren. Aber es wird gleichzeitig auch zu einer
höheren Produktivität der Amerikaner führen, die endlich die
Gesundheitsversorgung bekommen, die sie sich wünschten.
Es braucht ausserdem nicht
unbedingt erwähnt zu werden, dass die Amerikaner von jetzt an Arbeitsplätze
wechseln können, ohne Angst davor zu haben, die Krankenkasse zu verlieren.
Alles in allem dürfte die Gesundheitsreform Amerika reicher sowie sicherer
machen, hält Krugman als Fazit fest.
Zum Schluss fragt sich, ob die
neue Ansicht von Ungleichheit die politische Debatte beeinflussen wird? Es
sollte. Es stellt sich nämlich heraus, dass nett zu den Reichen und grausam zu
den Armen zu sein, nicht hilft, das Wirtschaftswachstum zu fördern. Ganz im
Gegenteil: Die Wirtschaft gerechter zu gestalten, macht das Land reicher. Man darf also sagen, Goodbye trickle-down, Hello trickle-up.
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