Freitag, 8. August 2014

Ungleichheit beeinträchtigt Wirtschaftswachstum

Seit mehr als drei Jahrzehnten hat jeder, der in der amerikanischen Politik etwas zu sagen hat, der Ansicht zugestimmt, dass höhere Steuern für Reiche und verstärkte Sozialhilfe für Arme das Wirtschaftswachstum beeinträchtigen.

Es gibt aber immer mehr neue Beweise dafür, dass die gesamte Prämisse dieser Debatte falsch war, betont Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Inequality is a drag“) am Freitag in NYTimes.

Aktuelle Analysen kommen aus Orten wie z.B. dem Internationalen Währungsfonds (IWF), dass die starke Ungleichheit auf dem Wachstum lastet und dass die Umverteilung gut für die Wirtschaft ist.

Die neue Ansicht wird auch von Standard & Poor’s geteilt: Laut einer letzte Woche vorgelegten Analyse gilt hohe Ungleichheit als Wachstumshindernis.

Wie ist es aber möglich? Verringern die Besteuerung der Reichen und die Handreichung für die Arme nicht den Anreiz, Geld zu verdienen? Nun, ja, es ist so, dass extreme Ungleichheit vielen Menschen die Chance beraubt, sich selbst zu erfüllen.

Man denke darüber nach: Haben talentierte Kinder in amerikanischen Familien mit geringerem Einkommen die gleiche Chance, die richtige Ausbildung zu bekommen, um die richtige Karriere einzuschlagen, um höher auf der Leiter zu kommen? Natürlich nicht. Extreme Ungleichheit bedeutet eine Verschwendung von Human Ressourcen, so der am Graduierten Zentrum der City University of New Work (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor.

Und Regierungsprogramme, die die Ungleichheit reduzieren können, machen die Nation als Ganzes reicher, durch die Verringerung der Verschwendung.

Man betrachte z.B. die Lebensmittelgutscheine: Die Konservativen behaupten ständig, dass durch die Verteilung von Essensmarken der Anreiz zum Arbeiten reduziert werde. Die historische Beweislage lässt in der Tat so einen Schluss zu, dass Lebensmittelbons für alleinerziehende Mütter die Bemühungen, zu arbeiten, irgendwie senken.

Aber es liegt zugleich nahe, festzuhalten, dass die Amerikaner, die Zugriff auf Lebensmittelmarken hatten, gesünder heranwachsende und leistungsfähigere Kinder haben, was bedeutet, dass sie einen grösseren wirtschaftlichen Beitrag leisten, erklärt der im Luxembourg Income Study Center forschende Träger des Wirtschaftsnobelpreises.

Der Zweck des food-stamp-Programms war von Anfang an, die Elend zu beschränken. Aber es ist ein  guter Hinweis, darauf zu achten, dass es auch für das amerikanische Wirtschaftswachstum gut war.

Dasselbe gilt laut Krugman auch für Obamacare. Subventionierte Versicherung mag manche Menschen veranlassen, die Anzahl der Arbeitsstunden zu reduzieren. Aber es wird gleichzeitig auch zu einer höheren Produktivität der Amerikaner führen, die endlich die Gesundheitsversorgung bekommen, die sie sich wünschten.

Es braucht ausserdem nicht unbedingt erwähnt zu werden, dass die Amerikaner von jetzt an Arbeitsplätze wechseln können, ohne Angst davor zu haben, die Krankenkasse zu verlieren. Alles in allem dürfte die Gesundheitsreform Amerika reicher sowie sicherer machen, hält Krugman als Fazit fest.

Zum Schluss fragt sich, ob die neue Ansicht von Ungleichheit die politische Debatte beeinflussen wird? Es sollte. Es stellt sich nämlich heraus, dass nett zu den Reichen und grausam zu den Armen zu sein, nicht hilft, das Wirtschaftswachstum zu fördern. Ganz im Gegenteil: Die Wirtschaft gerechter zu gestalten, macht das Land reicher. Man darf also sagen, Goodbye trickle-down, Hello trickle-up.


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