Die jährliche Inflation im
Euro-Raum ist im April (von 0,5% im
März) auf 0,7% gestiegen. Ist die Deflationsgefahr nun vorbei? Nein.
Die Daten geben alles in allem
keinen Anlass zur Entwarnung. Die Preise von Dienstleistungen weisen mit 1,6% die
höchste jährliche Rate auf. Es handelt sich dabei um etwas Einmaliges:
Osterferien. Die Preise für Pauschalreisen und Hotels sind stark gestiegen. Die
im April beobachteten Effekte dürften sich im kommenden Monat leicht wieder umkehren.
Mario Draghi hat neulich drei Arten von Eventualitäten dargelegt,
die eine unterschiedliche politische Reaktion erfordern.
Wenn der EZB-Rat feststellt, dass
die mittelfristigen Inflationsprognosen sich verschlechtern, könnte ein gross
angelegtes Asset-Kauf-Programm notwendig werden.
Sollten Spannungen in den Geld-,
Anleihe- und Devisenmärkten zunehmen, könnte die EZB mit Zinssenkungen oder
Liquiditätszufuhr darauf reagieren.
Störung der geldpolitischen
Transmission würde die EZB veranlassen, eine weitere LTRO-Massnahme zu treffen
oder ein ABS-Kauf-Programm in Angriff zu nehmen.
Euro-Area Inflation (gemessen am
harmonisierten Verbraucherpreisindex, HICP), Graph: Morgan Stanley
Bemerkenswert ist, dass die Inflationserwartungen der privaten Haushalte im Euro-Raum (consumer inflation expectation) auch im April weiter zurückgegangen sind, wie die Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen der
EU-Kommission (ECFIN) gestern
mitgeteilt hat.
April: 7,5
März: 10,8
Febr.: 13,6
Jan.: 15,1
Quelle: ECFIN consumer inflation
expectations
Die Angebotspolitik ist kein
Ersatz für die Nachfragepolitik. Inmitten einer schwer angeschlagenen
Wirtschaft auf angebotspolitische Reformen zu setzen und eine Verbesserung der
Wettbewerbsfähigkeit bei Null Zinsen (zero
lower bound) zu suchen, drosselt die Nachfrage im Euro-Raum. Die
Einkommenssituation der privaten Haushalte verschlechtert sich.
Der Verlauf des Einzelhandels in
der grössten Volkswirtschaft spricht Bände. Der Einzelhandelsumsatz in
Deutschland ging im März annualisiert real um 1,9% (real) zurück, wie das Statistische Bundesamt gestern mitgeteilt hat.
Einzelhandelumsatz in Deutschland,
Graph: Das Statistische Bundesamt (destatis)
Der Euro-Raum kann der Dynamik
der deflationären Kräfte nicht entkommen, solange die EWU-Partner dem von
Deutschland verordneten Wirtschaftsmodell in Form von Lohnmoderation folgen.
Die Krise kann nicht bewältigt werden, wenn die Unternehmen nicht bereit sind,
einen Teil der von den privaten Haushalten gebildeten Ersparnisse aufzunehmen
und in Sachanlagen zu investieren.
Solange die öffentliche Hand die
Ausgaben nicht erhöhen darf (Austeritätspolitik), die Unternehmen nicht
investieren und die Verbraucher mit Schuldenabbau beschäftigt sind, bleibt die
gesamtwirtschaftliche Nachfrage auf der Strecke und Deflation verursacht weiter
schmerhafte Jahre für die Menschen.
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