Das europäische Projekt ist in
einer tiefen Krise, schreibt Paul
Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Crisis of the Eurocrats“) am Freitag in NYTimes.
Der Kontinent hat noch Friede.
Aber es fällt kurz in Sachen Wohlstand und auf subtilere Weise in Sachen Demokratie.
Und wenn Europa wackelt, dann ist es eine sehr schlechte Sache, nicht nur für
Europa, sondern auch für die Welt als Ganzes, unterstreicht der Träger des
Wirtschaftsnobelpreises.
Warum ist Europa aber in
Schwierigkeiten? Das unmittelbare Problem ist die schwache Wirtschaftsleistung.
Der Euro sollte den Höhepunkt der Schritte in Bezug auf die wirtschaftliche
Integration markieren. Die
Gemeinschaftswährung hat sich aber als Falle erwiesen, so der seit neuem am
Graduierten-Zentrum der City University of New York (CUNY) forschende
Wirtschaftsprofessor.
Zunächst kam es zu einer gefährlichen
Selbstgefälligkeit, als Investoren riesige Mengen Gelder nach Südeuropa
schickten, ungeachtet des Risikos. Und dann, nach dem Platzen des Booms fanden
sich die Schuldnerländer nicht mehr in der Lage, die verlorene
Wettbewerbsfähigkeit wiederzugewinnen, mit einer hohen Arbeitslosigkeit wie in
einer Depression als Folge.
Die anhaftenden Probleme des Euro
sind durch schlechte Wirtschaftspolitik verschärft worden. Europäische Staats-
und Regierungschefs bestehen immer noch darauf, dass die Krise (trotz der gegenteiligen Beweise) mit haushaltspolitischer
Verantwortungslosigkeit zu tun hat. Und sie haben dazu wilde Sparmassnahmen
ergriffen, was die Situation noch
schlimmer machte.
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter,
EU-Japan-USA, Graph: Prof. Paul Krugman
Mit einer schrumpfenden
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und ohne Nachfrageschub dürfte Europa sehr
wahrscheinlich einen deutlich niedrigeren Zinssatz (natural real rate of
interest rate) in den kommenden Jahren haben.
Die gute Nachricht ist, dass der
Euro nicht zusammengebrochen ist, legt Krugman dar: (1) Weil die EZB die Märkte
hat beruhigen können, mit dem Satz, „alles dafür zu tun“, dass die Gemeinschaftswährung
überlebt. Und (2) Weil die europäische Elite sich für das Projekt zutiefst
engagiert.
Aber die Kosten des Zusammenhalts
via Elite vergrössert die wachsende Distanz zwischen den Regierungen und dem
Volk. Durch die Schliessung der Reihen hat die Elite wirksam sichergestellt,
dass es keine gemässigte Stimmen gibt, die von der politischen Orthodoxie
abweichen. Und der Mangel an moderaten Dissens hat Gruppen wie National Front in Frankreich gestärkt,
argumentiert Krugman weiter.
Die bittere Ironie ist dabei,
dass Europas Elite nicht tatsächlich technokratisch ist. Die Einführung des
Euro war politisch und ideologisch geprägt, nicht eine sorgfältige Antwort aus
wirtschaftlicher Analyse. Und der Umstand, dass Europas Elite die Ideologie wie
Know-how verschleiert, dass alles
getan werden muss, was sie will, erzeugt ein Defizit an Legitimität.
Es ist zwar der Elite so weit
gelungen, den Zusammenhalt zu sichern. Aber wir wissen nicht, wie lange noch,
hebt Krugman hervor. Und es gibt einige sehr beängstigende Leute, die in den
Startlöchern warten.
Wenn wir Glück haben, können wir in
den nächsten Jahren eine echte wirtschaftliche Erholung erleben, was das
europäische Projekt wieder auf Pfad bringen würde. Aber wirtschaftliche
Erholung allen reicht nicht aus. Europas Elite muss in Erinnerung rufen, worum
es beim Projekt geht.
Es ist laut Krugman erschreckend
zu sehen, wie Europäer demokratische Werte zurückweisen. Zumindest ein Teil der
Schuld liegt bei den Beamten, die mehr an Preisstabilität und finanzpolitischer
Integrität interessiert sind als an Demokratie. Das moderne Europa ist auf
einer noblen Idee gebaut. Aber diese Idee braucht heute mehr Verteidiger, hält
Krugman als Fazit fest.
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