Nachdem Australien als erstes G20-Land am 6. Oktober die Leitzinsen angehoben hat, hat heute die Norges Bank als erste europäische Notenbank ihren Leitzins erhöht. Der Schlüsselsatz (overnight deposit rate) für Refinanzierungsgeschäfte kletterte um 25 Basispunkte auf 1,50%. Nachdem Norwegen ein Konjunkturpaket im Verhältnis von 4,7% zum BIP aufgeschnürt hat, hat das Land Investitionen in der Erdölindustrie kräftig angekurbelt. Der weltweit 5. grösste Exporteur von Öl kam im II. Quartal aufgrund der wiederbelebten Inlandsnachfrage wieder aus der Rezession heraus. Norwegen und Australien sind zwei Länder, die von der Krise dank ihrem Rohstoffreichtum relativ milde erfasst worden sind.
Norway: Key Policy Rate, Graph: Norges Bank, Oct. 28, 2009
Die Norges Bank rechnet für dieses Jahr mit einem durchschnittlichen Leitzins von 1,75%. Für 2010 lautet die Prognose im Durchschnitt auf 2,25%. Für 2012: 4,25%. Die norwegische Notenbank signalisiert also einen steilen Anstieg der Zinsen. Die Arbeitslosigkeitsrate betrug im September 2,7%. Das ist der tiefste Wert in Europa.
„Die Inflation ist etwas höher als erwartet. Die Arbeitslosigkeit ist erheblich geringer als erwartet. Die Weltwirtschaft steckt in einer tiefen Rezession. Es gibt aber Anzeichen für ein erneutes Wachstum“, so die Norges Bank bei der Begründung des Zinsentscheides. Aktivität in der norwegischen Wirtschaft habe sich schneller als erwartet erholt. Die Norges Bank habe die Alternative zu einer Zinserhöhung in Betracht gezogen. Aktuelle Entwicklungen zeigen, dass es angebracht sei, den Leitzins jetzt anzuheben, so Svein Gjedrem, der Chef der Norges Bank.
Für die EZB ergibt sich daraus aber keinen Handlungsdruck. Der Zeitpunkt für eine Wende in der Geldpolitik ist im Euro-Raum noch nicht gekommen. Der Geldmultiplikator ist zusammengebrochen. Es gibt keine Inflationsgefahr. Unternehmenskredite schrumpfen. Konsumenten sparen. Erstmals seit Einführung der Statistik im Jahr 1991 haben Banken im Euro-Raum im September an Unternehmen und private Haushalte weniger Kredite verliehen als ein Jahr zuvor, wie faz.net heute die Zahlen der EZB zitiert. Kein Wunder. Die Kapazitätsauslastung verharrt derzeit auf rund 70 Prozent. Es hat daher keinen Sinn, in absehbarer Zeit aus der lockeren Geldpolitik auszusteigen, bevor der Aufschwung Fuss gefasst hat.
Die Festlegung des optimalen Ausstiegszeitpunkts ist ohnehin die Quadratur des Kreises. Herkömmliche Modelle und Indikatoren, die herangezogen werden, Inflationsrisiken einzuschätzen, erfassen die unkonventionellen Massnahmen unzureichend, wie die Schweizerische Nationalbank (SNB) hervorhebt. Daher wird es auf die subjektive Einschätzung der Verantwortlichen ankommen, wann erforderliche Korrekturmassnahmen ergriffen werden sollen.
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