Mittwoch, 28. März 2012

Minsky Moment unter Ökonomen


(Wonkish)

Steve Keen hat vergangene Woche eine neue Forschungsarbeit („Instability in Financial Markets“) vorgelegt. Der an der University of Western Sydney lehrende Wirtschaftsprofessor wird das Paper am 12. April auf der INET Konferenz in Berlin präsentieren.

Keen beginnt seine Analyse mit einem Überblick über Minsky, weil Hyman Minskys Hypothese über die finanzielle Instabilität seiner Angaben nach eine der wichtigsten Grundlagen für seinen Ansatz für Wirtschaftswissenschaften darstellt.

Minskys Theorie der Instabilität ist heute wieder in aller Munde, v.a. wegen des „Minsky Moments“ vom Ende 2007. Keen bedauert jedoch, dass ein besseres Verständnis des Erklärungsansatzes von Minsky, wie z.B. die Subprime-Krise überhaupt passieren konnte, in den Forschungsarbeiten von Paul Krugman („Debt, Deleveraging and the Liquidity Trap“) fehle.

Nun schenken neoklassische Ökonomen im Sog der Finanzkrise Minskys Theorie der Instabilität einige Aufmerksamkeit. Und es gab zumindest einen Versuch, ein neues keynesianisches Modell gestützt auf Minskys Hypothese (Debt Deflation) zu bauen, legt Keen mit Hinweis auf Krugmans Forschungsarbeit („Debt, deleveraging, and the liquidity trap“) dar. Aber Keen bemängelt in Krugmans Arbeit jede Spur von Anerkennung der Theorie der Instabilität.

Was Keen z.B. Paul Krugman konkret ankreidet, ist, dass die Anhänger der neoklassichen Wachstumstheorie (wie Krugman) zwar Minsky lesen, und darauf hin ein Gleichgewichtsmodell bilden, aber Banken in die Modellen nicht miteinbauen. Dies als Minsky-Modellierung zu nennen, ist Keens Ansicht nach falsch, weil damit ein Gleichgewichtsmodell mit Besessenheit nach „Walrasianischen Handpuppen“ erstellt werde, wie es eigentlich auch mit Keynes gestützt auf das DSGE-Modell geschehe.

Krugman findet solche Debatten grundsätzlich „immer positiv“ und bedauert, dass er die Berliner Konferenz (April 2012) aus „häuslichen Pflichten“ nicht besuchen kann, wie er in seinem Blog zum Ausdruck bringt. Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) bietet jedoch einige kurze Notizen, was ihm dabei verwirrend vorkommt und warum er im Keens Sinne nicht ein echter „Minskyite“ sein kann.

Krugman beteiligt sich an Diskussionen wie „Was Hat Minksy Wirklich Gemeint?“ oder „Was Hat Keynes Wirklich Gemeint?“ grundsätzlich nicht.

(1) Die Ideengeschichte ist zwar ein schönes Unterfangen. Aber der Grund, alte Bücher zu lesen, liefert aus Sicht der Arbeit der Ökonomen „bloss“ Einsicht, nicht Autorität. Wenn etwas, was Keynes oder Minsky gesagt hat, hilft, eine Idee im Kopf zu kristallisieren, ist es wirklich gut. Aber wenn Sie die Idee ganz anders holen, als der grosse Mann woanders in seinem Buch gesagt hat, ist es im Grunde genommen egal. Denn es geht um die Wirtschaftswissenschaften, nicht Talmundwissenschaft, schildert Krugman eindrucksvoll.

(2) Die Frage ist, wie man Wirtschaftswissenschaften betreiben soll?
Krugman hat eigene Regeln für die Forschung. Im Mittelpunkt steht Einfachheit. Der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor sucht immer nach der einfachsten Darstellung, wenn er versucht, über die Wirtschaft etwas zu berichten. Das Ziel ist, insbesondere anzugeben, welche Annahmen wirklich von entscheidender Bedeutung sind, damit man sich selbst kontrollieren kann, ob die impliziten Annahmen einer klaren Überprüfung standhalten oder nicht.

Keen scheint dies laut Krugman nicht zu tun. Keens Forschungsarbeit enthält eine Reihe von Aussagen, die wichtig seien, aber ohne viel Erklärung, warum sie von entscheidender Bedeutung sind.

Im Besonderen besteht Keen darauf, dass die Banken in dieser Angelegenheit von wesentlicher Bedeutung sind. Krugman ist der Ansicht, dass der Bankensektor in die Geschichte eingeschlossen werden soll, wo es relevant ist. Warum es aber so wichtig sein soll, wie Keen behauptet, in Bezug auf die Verschuldung und die Schuldenaufnahme (leverage), leuchtet Krugman nicht ein.

Keen sagt, weil, wenn man die Banken in das Modell einschliesst, die Kreditvergabe die Geldmenge erhöhe. Na, gut, was bedeutet das aber? Keen scheint laut Krugman anzunehmen, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht zunehmen kann, es sei denn, die Geldmenge steigt. Das trifft aber nur dann zu, wenn die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes fest ist, hebt Krugman hervor. Auch im Modell von Krugman und Gauti wird davon ausgegangen, dass die Kreditvergabe die gesamtwirtschaftliche Nachfrage erhöhen kann. Wo ist aber das Problem?

Keen geht sogar dazu über, zu behaupten, dass die Kreditvergabe per definitionem eine Ergänzung zu der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ist. Krugman ist damit nicht einverstanden. Wenn man beschliesst, seine Ausgaben zu kürzen und das Geld in die Bank zu bringen, verleiht die Bank das Geld als Kredit an jemanden anderen weiter, was aber nicht bedeutet, dass es damit netto zu einem Anstieg der Nachfrage kommt.

Krugman schildert weiter, dass es einige (viele) Fälle gibt, wo die Kreditvergabe mit einer höheren Nachfrage einhergeht, da die Ressourcen an Menschen übertragen werden, die eine höhere Neigung haben, die Ausgaben zu erhöhen. Keen scheint jedoch sagen zu wollen, dass die Schaffung von Geld = Schaffung von Nachfrage ist. Das trifft nicht zu. Das ist in keinem Modell der Fall, unterstreicht Krugman mit Nachdruck.

Fazit: Was Krugman nahelegt, ist, dass es dabei allem Anschein nach eine Menge implizite Theorien (implicit theorizing) gibt und die impliziten Theorien nicht viel Sinn machen. Es ist zudem wichtig, in einem einfachen Modell, deutlich vorzulegen, welche Annahmen getroffen werden, und aufzuklären, woraus man seine Schlussfolgerungen zieht.

PS: Sowohl Austrians, die denken, dass der Markt alles richtig macht, als auch die selbsternannten Anhänger von Minsky sehen Banken als Institutionen, die irgendwie die Regeln, die für die gesamte Wirtschaft gelten, aussen vor lassen. Und die Banken haben demnach einzigartige Kräfte sowohl für das Gute als auch für das Böse.

Die Banken sind klug, aber irgendwie eine gefährliche Form der Kreditvermittlung (financial intermediary), welche das Gesetz der grossen Zahlen ausschöpfen, um ein besseres Trade-off zwischen Liquidität und Ertrag zu liefern. Dies geschieht aber auf Kosten eines hohen Einsatzes von Fremdkapital (leverage), was hohe Risiken in sich birgt, beschreibt Krugman.

Die Banken ändern aber an den grundsätzlichen Ideen in Bezug auf die Zinssätze, die durch das Liquiditätspräferenzmodell (liquidity preference) des Zinssatzes und durch das Modell des Kreditmarktes (loanable funds model) bestimmt werden, nichts. Krugman hebt zugleich hervor, dass tatsächlich die  beiden Theorien gemeint sind, weil sie laut IS-LM-Modell, wenn sie angemessen verstanden werden, richtig sind. Die Banken schaffen keine Nachfrage aus der Luft, nicht mehr als jeder andere, der entscheidet, seine Ausgaben zu erhöhen. Und die Banken sind nur eine Verbindung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer, fasst Krugman zusammen.

PPS: Hyman Minsky betrachtet in seiner Theorie der Instabilität die Finanzkrisen wie die gegenwärtige nicht als Schock von aussen, sondern als ein Merkmal des Wirtschaftssystems. Und das Finanzsystem neigt von sich aus zur Instabilität. Mehr dazu bietet Wolfgang Münchau in seinem lesenswerten Buch „Makro Strategien“ in einem speziellen Abschnitt.

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