Montag, 5. März 2012

Warum „Target 2“-Debatte wichtig ist

Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat sich laut FAZ vergangene Woche per Brief mit der Bitte an den EZB-Präsidenten Mario Draghi gewandt, die inzwischen stark gestiegenen Forderungen der Bundesbank im Eurosystem zwischen den Notenbanken abzusichern.

Die Bundesbank wird offensichtlich nervös über das Gegenparteirisiko, falls der Euro plötzlich zusammenbrechen sollte.

Es handelt sich dabei um Forderungen im Zahlungs- und Abwicklungssystem im Euro-Raum (kurz TARGET 2 genannt) für Euro-Transaktionen zwischen nationalen Zentralbanken mit Zentralbank-Geld.

Das Thema um die Target-Salden ist von Hans-Werner Sinn angestossen worden. Der Präsident des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung debattiert, redet und schreibt seither darüber unersättlich.

Sinn stellt inhaltlich hochgradig falsche Behauptungen auf und zieht gefährliche Schlüsse, hält Karl Whelan (hier und hier) fest.

Sinn‘ Analyse ist über weite Strecken fragwürdig, seine Schlussfolgerungen sind unverantwortlich und gefährlich, bemerkt Olaf Storbeck im Blog des Handelsblatts. (PS: Storbeck hat dabei eine hervorragende Forschungsarbeit geliefert. In einer Leseliste TARGET 2 hat er alle relevanten Artikel zum Thema zusammengestellt. Empfehlenswert für alle, die sich im Thema weiter vertiefen wollen)

Eine der faszinierendsten jüngsten Entwicklungen der Krise der Eurozone ist der Schock des ökonomischen Establishments in Deutschland, dass die Eurozone in der Tat eine Währungsunion ist, schreibt Wolfgang Münchau in einem lesenswerten Artikel („The Bundesbank has no right at all to be baffled“) mit einer angenehmen subtilen Ironie heute in FT.

Wie Münchau hervorhebt, geht es dabei um eine technische Debatte über die Ungleichgewichte im Zahlungs- und Abwicklungssystem im Euroraum.

Sinn vertritt die Ansicht, dass die TARGET 2-Salden die Leistungsbilanz-Ungleichgewichte seit dem Ausbruch der Krise widerspiegeln. Da die Leistungsbilanz-Salden bislang durch die Geschäftsbanken finanziert wurden, gab es vor 2007 kein Problem.

Nun übernehmen die nationalen Zentralbanken diese Rolle, unterstreicht Münchau. Es gilt jedoch, in Erinnerung zu rufen, dass die Bundesbank an Anfang das Thema TARGET 2 als eine „Angelegenheit der Statistik“ verworfen hatte. Jetzt beharrt Weidmann darauf, dass die TARGET 2-Ungleichgewichte wichtig sind und ein unannehmbares Risiko darstellen.

Was jedoch schwer zu verstehen, ist, warum jeder heute Erstaunen darüber heuchelt, dass Leistungsbilanzungleichgewichte in einer Währungsunion auf unbestimmte Zeit finanziert werden können, erklärt Münchau. Ist es nicht eine der Eigenschaften einer Währungsunion, im Unterschied zu einem System der festen Wechselkurse? Solange die Banken einen Zugang zu der Zentralbank haben und gute Sicherheiten (collateral) anbieten können, können die Mitgliedsländer für eine unendliche Zeit Leistungsbilanzdefizite einfahren.

Eine der tiefen Ursachen für dieses Problem ist natürlich Deutschlands anhaltender Leistungsbilanzüberschuss. Das Problem lässt sich aber leicht dadurch lösen, dass Deutschland dazu bewegt wird, seine Einfuhren im Verhältnis zu seinen Ausfuhren zu erhöhen, erläutert der Autor des lesenswerten Buches „Makro-Strategien“.

Dazu bedarf es Massnahmen: (a) für die Verstärkung des Bankensektors und (b) für die Absicherung gegen asymmetrische Schocks. Deutschland zeigt daran aber kein Interesse. Stattdessen zieht die Bundesbank es vor, das Problem mit Bezug auf die Finanzierung zu lösen. Was Weidmann fordert, ist ein bedingter Zugriff auf griechisches und spanisches Eigentum und auf andere Vermögenswerte, und zwar in Höhe von 500 Mrd. Euro. Weidmann hätte m.a.W. genauso gut vorschlagen können, die deutsche Luftwaffe dorthin zu schicken, um die Euro-Krise zu lösen, beschreibt Münchau, um drastisch vor Augen zu führen, wie unglaublich extrem Weidmanns Vorschlag ist.

Fazit: Die TARGET 2-Debatte ist insofern wichtig, als sie die Wurzel des Problems aufdeckt, dass Deutschlands ökonomisches Establishment nicht aufrichtig ist, weil es nicht sagt, was es will: das deutsche Establishment will nicht mehr eine Währungsunion. Es will ein lockeres System mit Gemeinschaftswährung.

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