Freitag, 30. März 2012

Krankenversicherung und Broccoli


Paul Krugman befasst sich in seiner lesenswerten Kolumne („Broccoli and Bad Faith“) am Freitag in NYT mit dem bevorstehenden Urteil des Obersten Gerichtshofes über das amerikanische Gesundheitsgesetz (Affordable Care Act).

Es scheint aber durchaus möglich, dass das Gericht das „Mandat“ oder sogar das ganze Gesetz niederstrecken will, bemerkt der Träger des Wirtschaftsnobelpreises.  Bei „Mandat“ handelt es sich um die Forderung, dass die Individuen sich eine Krankenversicherung besorgen müssen.

Die Abschaffung des „Mandats“ würde aber das Gesetz weniger praktikabel machen, während die Niederstreckung des ganzen Gesetzes die Verneinung bedeuten würde, dass mehr als 30 Mio. Amerikaner Krankenversicherung hätten, legt Krugman dar.

Angesichts der brisanten Situation dürfte man laut Krugman erwarten, dass alle Mitglieder des Gerichts sehr vorsichtig vorgehen. In Wirklichkeit scheinen Richter jedich, die dagegen sind, auf jedes Argument aufzugreifen, um die Gesetzesvorlage zu Fall zu bringen.

Der Richter Antonin Scalia hat beispielsweise den Kauf von Krankenversicherung mit dem Kauf von Broccoli verglichen. Dieser Vergleich hat Gesundheitsexperten entsetzt, weil Krankenversicherung mit Broccoli nichts zu tun hat.

Warum? Wenn die Leute nicht Broccoli kaufen, machen sie dadurch Broccoli nicht unverfügbar für diejenigen, die es kaufen wollen. Wenn aber die Leute keine Krankenversicherung kaufen, bis sie krank werden, was der Fall wäre, wenn es das „Mandat“ nicht gäbe, macht die sich daraus ergebende Verschlechterung des Risiko-Pools die Versicherung viel teurer, und öfters unerschwinglich, für diejenigen, die zurückbleiben. Folglich funktioniert eine nicht-regulierte Krankenversicherung grundsätzlich nicht und es hat nie funktioniert, hält der an der University of Princeton lehrende Wirtschaftsprofessor fest.

Es gibt mindestes zwei Möglichkeiten, um dieser Realität anzugehen. Eine ist, jeden zu besteuern und die damit geschaffenen Erlöse für die Abdeckung der Gesundheit bereitzustellen. Das ist, was Medicare (der staatliche Gesundheitsdienst für Rentner über 65) und Medicaid (der staatliche Gesundheitsdienst für arme Menschen) tun. Die andere ist, zu verlangen, dass jeder eine Krankenversicherung kauft, während diejenigen, die es sich nicht leisten können, unterstützt werden, erläutert Krugman.

Sind es grundlegend unterschiedliche Ansätze? Krugman zitiert dazu Charles Fried, der Ronald Reagans Generalstaatsanwalt war: „Ich habe nie verstanden, warum die Regulierung, die Menschen etwas zu kaufen zu veranlassen, irgendwie aufdringlicher sein soll als die Regulierung, sie zur Zahlung von Steuern zu veranlassen und sie ihnen dann zu geben“.

Fried denkt also, dass es gerade die Politik ist und weitere Diskussionen in den Anhörungen unterstützen diese Wahrnehmung. Im juristischen Denken hat m.a.W. keine wirkliche Veränderung stattgefunden. 

Krugman weiss natürlich nicht, wie der Oberste Gerichtshof darüber befinden wird. Aber es sei schwer, nicht das Gefühl einer Vorahnung zu haben und sich Sorgen zu machen, dass der bereits schwer angeschlagene Glaube des Landes in die Fähigkeit des Obersten Gerichtshofs, über der Politik zu stehen, sich gerade anschickt, einen weiteren schweren Schlag zu nehmen.

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