Samstag, 3. März 2012

Sind CDS handelbare Vermögenswerte oder Versicherung?

Der internationale Derivatehändlerverband (ISDA) hat entschieden, dass die Umschuldung Griechenlands kein Kreditereignis (credit event) darstellt.  

Damit werden die CDS (Kreditausfallversicherung) auf griechische Staatsanleihen (vorerst) nicht fällig. Die Gläubiger haben m.a.W. keinen Anspruch auf Zahlungen (d.h. Versicherungsleistungen).

Dienen aber diese Produkte (CDS: credit default swaps) nicht dazu, die Gläubiger im Fall eines Zahlungsausfalls zu entschädigen?

Barry Ritholtz erklärt in seinem Blog die Vorgeschichte.

Das Gesetz über die Warentermingeschäfte (Commodity Futures Modernization Act) wurde im Jahr 2000 von Phil Gramm, dem Senator aus Texas aus Gefälligkeit zu seiner Frau Wendy durch den Kongress verabschiedet. Wendys Ziel war, Vorstandsmitglied bei Enron, mit Energie-Derivate ohne Aufsicht zu handeln. Das Gesetz wurde praktisch ungelesen durch den Kongress und seine Mitarbeiter dem damaligen Präsidenten Bill Clinton vorgelegt. Clinton hat CFMA Act auf Rat seines Finanzministers Lawrence Summers unterzeichnet.

Das CFMA hat den Handel mit Derivaten radikal dereguliert. Das neue Gesetz hat das alte Gesetz CEA (Commodity Exchange Act) von 1936 ersetzt, um Derivate-Transaktionen von Vorschriften entweder als „Futures“ unter dem CEA oder „Wertschriften“ unter den US-Wertpapiergesetzen zu befreien.

Ferner hat das CFMA insbesondere CDS (Credit Default Swaps) und andere derivative Produkte aus der Regulierung durch jede bundesstaatliche Versicherungsbehörde oder Regulatoren ausgenommen.

Diese Regeländerung (bzw. Deregulierung) in Bezug auf die Freistellung der CDS von der Aufsicht für Versicherungen hat zu einer spezifischen wirtschaftlichen Verhaltensänderung geführt: Unternehmen, die Versicherungen schreiben, hatten in vorsichtiger Weise explizit Reserven für erwartete Verluste und eventuelle Auszahlungen hinterlegen müssen. Unternehmen, die CDS ausgegeben haben, haben darauf verzichten dürfen.

Somit war AIG in der Lage, Derivate im Wert von mehr als 3‘000 Mrd. $ zu zeichnen, und zwar praktisch Null Dollar als Reserve für mögliche Ansprüche hinterlegen zu müssen. Das Geschäft war enorm lukrativ, abgesehen vom Absturz in Zahlungsunfähigkeit.

Die radikale Deregulierung von CFMA hat direkt zum Zusammenbruch von AIG, Bear Stearns und Lehman Brothers geführt und indirekt zum Zusammenbruch von Citigroup, Bank of America und Fannie Mae und Freddie Mac.

Trotz der schrecklichen Auswirkungen, die diese Gesetzgebung hatte, wurde sie nie wirklich verworfen, nur etwas modifiziert. Präsident Obama hat laut Ritholtz den personellen Fehler gemacht, indem er Larry Summers zurück in die Regierung holte. Summers hat die Rolle von CFMA heruntergespielt, anstatt Fehler zuzugeben.

Die Risiken, die vom CFMA ausgehen, existieren heute immer noch. Swaps müssen heute über Clearing-Stellen abgewickelt werden. Aber sie sind noch immer von der Aufsicht für Versicherungsprodukte ausgenommen. Das ist bizarr, weil es keine Mindestreserve-Vorschriften gibt. Ob die Gegenpartei will oder nicht, ist der Dollar Betrag immer verhandelbar.

Das bringt uns bis heute.

Die griechische Regierung wurde von der Ratingagentur S&P als „im Zahlungsverzug“ (default) deklariert. Default bedeutet nach dem gesunden Menschenverstand, dass das betreffende Land versagt, die Zahlungen zeitgerecht zu leisten. Die Erklärung der Absicht durch Griechenland zum default hat auch bereits stattgefunden. Das ist insofern wichtig, als der ISDA den Zahlungsverzug Griechenlands als nicht-default erklärt.

Wer will hier nicht verdammt sein, zu verstehen, warum?

Sind CDS ein handelbarer Vermögenswert oder eine Versicherung?

Jeder handelbarer Vermögenswert (Aktien, Anleihen, Futures, Optionen, Fonds etc.) bildet seinen Preis selbst. Das heisst, dass es einen Marktpreis gibt, zudem der Vermögenswert mit einem Gesamtvolumen an Umsatz einen Schlusspreis am Ende des Tages, Monats, Quartals und Jahres hat. Es ist also keine Interpretation erforderlich.

Doch im Fall von CDS auf griechische Staatsanleihen beschliesst ein Ausschuss von Bankern, Anwälten, Buchprüfern und sonstigen interessierten Parteien die Einzelheiten, wägt die Umstände ab und legt am Ende dar, was passiert ist.

Klingt das nach einem handelbaren Vermögenswert? Es klingt eher wie eine Versicherungspolice im Streit. Weil die CDS in der Tat nichts weiter als eine vorbehaltlose und unregulierte Versicherungsprodukte sind. Das ist laut Ritholtz das Vermächtnis des CFMA, welches nicht aufgehoben worden ist.

PS:

Die Finanzunternehmen, die zum ISDA angehören, sind u.a. Goldman Sachs, Deutsche Bank, Morgan Stanley, HSBC, BNP Paribas, Credit Suisse, UBS usw.

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