Sonntag, 1. Juni 2014

Wie locker kann die EZB die Geldpolitik lockern?

Europa befindet sich sowohl wirtschaftlich als auch politisch auf dem Holzweg. Solange angebotspolitische Reformen im Euro-Raum im Vordergrund stehen, ist es schwer, positive Nachfrageeffekte zu erwarten.

EZB-Chef Mario Draghi gibt sich bemüht, mit aussergewöhnlichen Massnahmen das Blatt zu wenden. Es geht darum, genau die Deflationsgefahr abzuwehren, die die EZB mit ihrer Geldpolitik in den vergangenen zehn Jahren selbst herbeigeführt hat.

Alle Länder versuchen in Europa, ihre wirtschaftlichen Probleme über internal devaluation (d.h. Lohnsenkung) zu lösen. Es war abzusehen, dass das Ergebnis Deflation sein würde. Die EZB schaut zu, wie das gemeinsam festgelegte Inflationsziel unterlaufen wird.

Draghi hat Ende April dargelegt, dass die EZB auf die sich verschlimmernde Situation mit (1) Zinssenkung, (2) LTRO für SME und ABS-Kaufprogramm und (3) QE-Politik reagieren würde.

Wie sehen die einzelnen Instrumente in der Praxis aus?

(a) Zinssenkung (refi rate):

Die EZB könnte den Satz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte um z.B. 15 Basispunkte senken. Das ist der Satz, zu dem die Banken bei der EZB zeitlich befristet Zentralbankgeld gegen Sicherheit (d.h. Wertpapiere) umtauschen können.

Das Ziel ist hier, den EONIA-Satz nahe null zu verankern. Da die Erwartungen im Markt aber hoch sind, dürfte die Zinssenkung in diesem Ausmass kaum eine grosse Auswirkung auf den EUR Wechselkurs entfalten. Der EUR würde sich kurzfristig eher aufwerten.


Umfrage: Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB vor dem Jahresende eine QE-Politik lanciert?, Graph: Morgan Stanley


(b) Zinssenkung (deposit rate):

Die EZB könnte den Satz für Einlagefazilität senken, und zwar unter die Null-Marke. Das ist der Zinssatz, den die Banken erhalten, wenn sie überschüssiges Geld bei der EZB parken.

Der EUR Wechselkurs würde sich wegen der negativen Verzinsung der Einlagen erst einmal abschwächen. Es ist jedoch nicht realistisch, eine anhaltende Abwertung zu erwarten.

(c) Orientierung über die zukünftige Ausrichtung der Geldpolitik (forward guidance):

In die Zukunft gerichtete Aussagen der EZB könnten im Angesichts des einzigen Mandats der Preisstabilität im Euro-Raum mittel- bis langfristig kaum  nennenswerte Effekte auslösen. Zumal die EZB bereits eine Art forward guidance an den Tag gelegt hat und für die Verbindung mit ausschliesslich numerischen Zielwerten die politischen Hürden in Europa zu hoch sind.

(d) Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (LTRO):

Mit gezielten LTROs könnte die EZB ein SME-Ankaufprogramm ankurbeln. Diese Massnahme würde den EUR ohne Zweifel abschwächen. Die Notenbankgeldmenge (monetary base) würde ansteigen.

(e) Ein breit angelegtes längerfristiges Refinanzierungsgeschäft (liquidity):

Allgemeine langristige Refinanzierungsgeschäfte mit dem Ziel, die Liquidität zu erhöhen, sind in Europa aus politischen Gründen nicht machbar, da damit ein allgemeiner Anstieg der Notenbankgeldmenge (=Notenumlauf + Giroguthaben der Banken bei der EZB) einhergehen würde. Die Massnahme würde aber effektiv zu einer Abschwächung des EUR führen.



EZB und QE, Graph: Morgan Stanley

(f) Mengenmässige Lockerung der Geldpolitik (QE: quantitative easing):

Die ideologischen Hindernisse in Europa sind hierbei besonders hoch. Nur eine ausgewachsene Deflationsgefahr würde wahrscheinlich die EZB veranlassen, darüber nachzudenken.

Die ausserordentliche Massnahme hätte theoretisch einen negativen Effekt auf den EUR Wechselkurs. Es gilt aber zu bedenken, dass die Auswirkungen im Angesicht des fragmentierten Finanzmarktes im Euro-Raum nicht so stark wären als sonst.



Kreditvergabe durch die Banken im Euro-Raum ist angesichts des anhaltenden Schuldenabbau-Prozesses immer noch rückgängig, Graph: Morgan Stanley

Fazit: Wenn die EZB eine höhere Inflationserwartung begünstigen will, muss sie „glaubwürdig unverantwortlich“ agieren, um den Deflationszyklus durchzubrechen.

Eine Rückkehr der Inflation auf den mittelfristigen Zielwert scheint vor diesem Hintergrund nur über einen schwachen EUR-Wechselkurs möglich zu sein. Die EZB verfolgt aber kein Wechselkursziel. Ist Europa in einer Sackgasse? 

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ein paar Anmerkungen:

- bei negativen Zinsen würden das Kapital in den Schattenbanksektor wechseln.
- der Bereich der Gesellschaft, welcher konsumieren könnte und nicht zu den Top 10% der Verdienenden/Besitzenden gehört, hat finanziell kaum noch Möglichkeiten einen nennenswerten Konsum aufzubringen.
- solange eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik vorherrscht, wird kein Konsum erzeugt.