Europa befindet sich sowohl
wirtschaftlich als auch politisch auf dem Holzweg. Solange angebotspolitische
Reformen im Euro-Raum im Vordergrund stehen, ist es schwer, positive Nachfrageeffekte
zu erwarten.
EZB-Chef Mario Draghi gibt sich bemüht, mit aussergewöhnlichen Massnahmen
das Blatt zu wenden. Es geht darum, genau die Deflationsgefahr abzuwehren, die
die EZB mit ihrer Geldpolitik in den vergangenen zehn Jahren selbst herbeigeführt
hat.
Alle Länder versuchen in Europa,
ihre wirtschaftlichen Probleme über internal
devaluation (d.h. Lohnsenkung) zu lösen. Es war abzusehen, dass das
Ergebnis Deflation sein würde. Die EZB schaut zu, wie das gemeinsam festgelegte
Inflationsziel unterlaufen wird.
Draghi hat Ende April dargelegt, dass die EZB auf die sich verschlimmernde Situation mit (1)
Zinssenkung, (2) LTRO für SME und ABS-Kaufprogramm und (3) QE-Politik reagieren
würde.
Wie sehen die einzelnen
Instrumente in der Praxis aus?
(a) Zinssenkung (refi rate):
Die EZB könnte den Satz für
Hauptrefinanzierungsgeschäfte um z.B. 15 Basispunkte senken. Das ist der Satz,
zu dem die Banken bei der EZB zeitlich befristet Zentralbankgeld gegen
Sicherheit (d.h. Wertpapiere) umtauschen können.
Das Ziel ist hier, den EONIA-Satz
nahe null zu verankern. Da die Erwartungen im Markt aber hoch sind, dürfte die Zinssenkung
in diesem Ausmass kaum eine grosse Auswirkung auf den EUR Wechselkurs entfalten.
Der EUR würde sich kurzfristig eher aufwerten.
Umfrage: Wie gross ist die
Wahrscheinlichkeit, dass die EZB vor dem Jahresende eine QE-Politik lanciert?, Graph: Morgan Stanley
(b) Zinssenkung (deposit rate):
Die EZB könnte den Satz für
Einlagefazilität senken, und zwar unter die Null-Marke. Das ist der Zinssatz, den die Banken erhalten, wenn
sie überschüssiges Geld bei der EZB parken.
Der EUR Wechselkurs würde sich wegen der negativen Verzinsung der Einlagen erst einmal abschwächen. Es ist jedoch nicht realistisch, eine
anhaltende Abwertung zu erwarten.
(c) Orientierung über die zukünftige
Ausrichtung der Geldpolitik (forward guidance):
In die Zukunft gerichtete Aussagen
der EZB könnten im Angesichts des einzigen Mandats der Preisstabilität im
Euro-Raum mittel- bis langfristig kaum nennenswerte Effekte auslösen. Zumal die EZB
bereits eine Art forward guidance an
den Tag gelegt hat und für die Verbindung mit ausschliesslich numerischen
Zielwerten die politischen Hürden in Europa zu hoch sind.
(d) Längerfristige
Refinanzierungsgeschäfte (LTRO):
Mit gezielten LTROs könnte die
EZB ein SME-Ankaufprogramm
ankurbeln. Diese Massnahme würde den EUR ohne Zweifel abschwächen. Die
Notenbankgeldmenge (monetary base) würde
ansteigen.
(e) Ein breit angelegtes
längerfristiges Refinanzierungsgeschäft (liquidity):
Allgemeine langristige Refinanzierungsgeschäfte
mit dem Ziel, die Liquidität zu erhöhen, sind in Europa aus politischen Gründen
nicht machbar, da damit ein allgemeiner Anstieg der Notenbankgeldmenge
(=Notenumlauf + Giroguthaben der Banken bei der EZB) einhergehen würde. Die
Massnahme würde aber effektiv zu einer Abschwächung des EUR führen.
EZB und QE, Graph: Morgan Stanley
(f) Mengenmässige Lockerung der Geldpolitik
(QE: quantitative easing):
Die ideologischen Hindernisse in
Europa sind hierbei besonders hoch. Nur eine ausgewachsene Deflationsgefahr
würde wahrscheinlich die EZB veranlassen, darüber nachzudenken.
Die ausserordentliche Massnahme
hätte theoretisch einen negativen Effekt auf den EUR Wechselkurs. Es gilt aber
zu bedenken, dass die Auswirkungen im Angesicht des fragmentierten Finanzmarktes
im Euro-Raum nicht so stark wären als sonst.
Kreditvergabe durch die Banken im
Euro-Raum ist angesichts des anhaltenden Schuldenabbau-Prozesses immer noch rückgängig,
Graph: Morgan Stanley
Fazit: Wenn die EZB eine
höhere Inflationserwartung begünstigen will, muss sie „glaubwürdig unverantwortlich“
agieren, um den Deflationszyklus durchzubrechen.
Eine Rückkehr der Inflation auf
den mittelfristigen Zielwert scheint vor diesem Hintergrund nur über einen
schwachen EUR-Wechselkurs möglich zu sein. Die EZB verfolgt aber kein Wechselkursziel. Ist Europa in einer Sackgasse?
1 Kommentar:
Ein paar Anmerkungen:
- bei negativen Zinsen würden das Kapital in den Schattenbanksektor wechseln.
- der Bereich der Gesellschaft, welcher konsumieren könnte und nicht zu den Top 10% der Verdienenden/Besitzenden gehört, hat finanziell kaum noch Möglichkeiten einen nennenswerten Konsum aufzubringen.
- solange eine angebotsorientierte Wirtschaftspolitik vorherrscht, wird kein Konsum erzeugt.
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