Dienstag, 10. Juni 2014

Reserven der Geschäftsbanken bei der EZB

Antonio Fatas bemerkt in seinem Blog, dass es einige Missverständnisse über die Reserven, die die Banken bei der EZB halten, gibt.

Einige scheinen demnach anzunehmen, dass die Höhe der Bankreserven bei der EZB darauf hindeute, dass die Banken nicht gewillt seien, Kredit zu vergeben. Das ist eine falsche Sicht, unterstreicht der an der INSEAD lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die Reserven sind Verbindlichkeiten in der Bilanz der Zentralbank, die geschaffen werden, (a) wenn die Zentralbank an die Geschäftsbanken Kredit vergibt und (b) wenn die Zentralbank Geschäftsbanken Wertschriften abkauft.

Wenn die Bank A an eine Privatperson oder Unternehmen einen Kredit gibt, verschwinden die Reserven bei der Zentralbank nicht. Wenn der Kreditnehmer das Geld zum Ankauf von Dingen verwendet, werden die Reserven dementsprechend von der Bank A an die Bank B transferiert. In der gesamten Summe der Reserven bei der Zentralbank ändert sich nichts. Das heisst, dass das Niveau der Reserven „trotz“ der Kreditvergabe unverändert bleibt.

Wie könnten aber die Reserven abnehmen? Die Antwort ist einfach: Wenn die Geschäftsbanken die Kredite, die sie bei der EZB aufgenommen haben, an die EZB zurückzahlen. Wenn die EZB also Kredit vergibt, steigen die Reserven der Geschäftsbanken bei der EZB.

Dazu liefert Fatas zwei bemerkenswerte Abbildungen, die den Zusammenhang optisch deutlich vor Augen führen.



Kredite der EZB an Finanzinstitutionen, Graph: Prof. Antonio Fatas

Die Bereitstellung von LTRO durch die EZB hat im Herbst 2011 zu einem rasanten Anstieg der Reserven geführt. Da die Geschäftsbanken inzwischen die LTROs zurückzahlen, schrumpft die Bilanz der EZB.


Reserven der Geschäftsbanken bei der EZB, Graph: Prof. Antonio Fatas

Die Tatsache, dass die beiden Serien (dargestellt in Form von zwei Abbildungen) sich in Tandem bewegen, bedeutet nicht, dass die Massnahmen der EZB unwirksam sind, schreibt Fatas weiter. Es sei möglich, dass die Verfügbarkeit von Mitteln einige Banken veranlasst, die Kreditvergabe an den Privatsektor anzukurbeln. Die Effektivität der Massnahmen lässt sich nicht am Niveau der Reserven im Finanzsystem messen, so Fatas weiter.

Auch James Hamilton erklärt in seinem Blog, dass die EZB mit den neuen geldpolitischen Massnahmen nicht das Ziel verfolge, dass die Banken die Einlagen bei der EZB als Kredit vergeben.

Wenn die Bank A einen Kredit gibt oder eine Wertschrift kauft, beauftragt sie die EZB, den entsprechenden Betrag von ihrem Konto auf das Konto der Bank B, des Kontrahenten zu überweisen, der den Kredit bekommt oder die Wertschrift verkauft hat.

Die Einlagen der Bank A bei der EZB nehmen ab, die Einlagen der Bank B bei der EZB steigen. Im Ergebnis, am Ende des Tages landen die überlassenen Einlagen irgendwo bei einer anderen Bank. Nur Aktionen der EZB selbst oder Barabhebungen der Banken von der EZB können das Niveau der Reserven, die die Banken bei der EZB halten, insgesamt verändern. Die Kreditvergabe der Banken oder Investitionsentscheidungen der Banken verändern die gesamten Einlagen der Banken bei der EZB nicht.

Was aber noch deutlicher gesagt werden muss, ist, dass wir heute kein Bankenproblem, sondern ein Nachfrageproblem haben. Die Banken geben keinen Kredit, weil niemand Kredit beantragt. Während Einlagen sich auftürmen, werden keine Sachinvestitionen getätigt.

Rekapitalisierung der Banken ist eine Massnahme auf der Angebotsseite. Die Wirtschaft ist aber nachfrage-eingeschränkt. Die Frage ist also, was zu tun ist, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln.

Die Erhöhung der Geldmenge (z.B. der Notenbankgeldmenge) ist von temporärer Natur, sodass die Inflationserwartungen davon nicht berührt werden. Wer übernimmt die überschüssigen Ersparnisse und investiert sie in die Realwirtschaft, wenn private Haushalte sparen und die öffentliche Hand ihre Ausgaben nicht erhöht und die Unternehmen keine Absatzchancen sehen?



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