Antonio Fatas bemerkt in seinem Blog, dass es einige Missverständnisse über die Reserven, die die Banken
bei der EZB halten, gibt.
Einige scheinen demnach anzunehmen,
dass die Höhe der Bankreserven bei der EZB darauf hindeute, dass die Banken
nicht gewillt seien, Kredit zu vergeben. Das ist eine falsche Sicht,
unterstreicht der an der INSEAD lehrende Wirtschaftsprofessor.
Die Reserven sind
Verbindlichkeiten in der Bilanz der Zentralbank, die geschaffen werden, (a)
wenn die Zentralbank an die Geschäftsbanken Kredit vergibt und (b) wenn die
Zentralbank Geschäftsbanken Wertschriften abkauft.
Wenn die Bank A an eine
Privatperson oder Unternehmen einen Kredit gibt, verschwinden die Reserven bei
der Zentralbank nicht. Wenn der Kreditnehmer das Geld zum Ankauf von Dingen
verwendet, werden die Reserven dementsprechend von der Bank A an die Bank B
transferiert. In der gesamten Summe der Reserven bei der Zentralbank ändert
sich nichts. Das heisst, dass das Niveau der Reserven „trotz“ der Kreditvergabe
unverändert bleibt.
Wie könnten aber die Reserven
abnehmen? Die Antwort ist einfach: Wenn die Geschäftsbanken die Kredite, die
sie bei der EZB aufgenommen haben, an die EZB zurückzahlen. Wenn die EZB also
Kredit vergibt, steigen die Reserven der Geschäftsbanken bei der EZB.
Dazu liefert Fatas zwei
bemerkenswerte Abbildungen, die den Zusammenhang optisch deutlich vor Augen
führen.
Kredite der EZB an
Finanzinstitutionen, Graph: Prof. Antonio Fatas
Die Bereitstellung von LTRO durch
die EZB hat im Herbst 2011 zu einem rasanten Anstieg der Reserven geführt. Da
die Geschäftsbanken inzwischen die LTROs zurückzahlen, schrumpft die Bilanz der
EZB.
Reserven der Geschäftsbanken bei
der EZB, Graph: Prof. Antonio Fatas
Die Tatsache, dass die beiden
Serien (dargestellt in Form von zwei Abbildungen) sich in Tandem bewegen,
bedeutet nicht, dass die Massnahmen der EZB unwirksam sind, schreibt Fatas
weiter. Es sei möglich, dass die Verfügbarkeit von Mitteln einige Banken veranlasst,
die Kreditvergabe an den Privatsektor anzukurbeln. Die Effektivität der
Massnahmen lässt sich nicht am Niveau der Reserven im Finanzsystem messen, so
Fatas weiter.
Auch James Hamilton erklärt in seinem Blog, dass die EZB mit den neuen geldpolitischen Massnahmen nicht das
Ziel verfolge, dass die Banken die Einlagen bei der EZB als Kredit vergeben.
Wenn die Bank A einen Kredit gibt
oder eine Wertschrift kauft, beauftragt sie die EZB, den entsprechenden Betrag von
ihrem Konto auf das Konto der Bank B, des Kontrahenten zu überweisen, der den
Kredit bekommt oder die Wertschrift verkauft hat.
Die Einlagen der Bank A bei der
EZB nehmen ab, die Einlagen der Bank B bei der EZB steigen. Im Ergebnis, am
Ende des Tages landen die überlassenen Einlagen irgendwo bei einer anderen
Bank. Nur Aktionen der EZB selbst oder Barabhebungen der Banken von der EZB
können das Niveau der Reserven, die die Banken bei der EZB halten, insgesamt
verändern. Die Kreditvergabe der Banken oder Investitionsentscheidungen der
Banken verändern die gesamten Einlagen der Banken bei der EZB nicht.
Was aber noch deutlicher gesagt
werden muss, ist, dass wir heute kein Bankenproblem, sondern ein
Nachfrageproblem haben. Die Banken geben keinen Kredit, weil niemand Kredit
beantragt. Während Einlagen sich auftürmen, werden keine Sachinvestitionen
getätigt.
Rekapitalisierung der Banken ist
eine Massnahme auf der Angebotsseite. Die Wirtschaft ist aber nachfrage-eingeschränkt.
Die Frage ist also, was zu tun ist, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage
anzukurbeln.
Die Erhöhung der Geldmenge (z.B.
der Notenbankgeldmenge) ist von temporärer Natur, sodass die Inflationserwartungen davon nicht berührt werden. Wer übernimmt die
überschüssigen Ersparnisse und investiert sie in die Realwirtschaft, wenn
private Haushalte sparen und die öffentliche Hand ihre Ausgaben nicht erhöht
und die Unternehmen keine Absatzchancen sehen?
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