Montag, 2. Juni 2014

Wie Ungleichheit geleugnet wird

Paul Krugman hatte vor einer Weile einen Artikel mit dem Titel “Die Reichen, die Rechten und die Fakten” veröffentlicht, um politisch motivierte Bemühungen um die offensichtliche Verleugnung des starken Anstiegs der Ungleichheit in den USA v.a. an der Spitze der Einkommensskala darzulegen.

Es überrascht nicht, dass sich seither nicht viel verändert hat. Was aber eine Überraschung ist das Erscheinungsjahr des Artikels: 1992.

Das bringt uns auf den neuesten Stand der intellektuellen Zwistigkeiten, die durch einen Artikel („Piketty findings undercut by errors“) von Chris Gille in Financial Times ausgelöst wurden: Die Offensive gegen die Glaubwürdigkeit des meist-verkauften Buches „Capital“ von Thomas Piketty.

Giles behauptet, dass Pikettys Werk „eine Reihe von Fehlern beinhaltet, die seine Ergebnisse verzerren“ und dass es keine klaren Beweise für die wachsende Konzentration von Vermögen gibt.

Geht es wieder von vorn los, fragt sich Krugman und nimmt in seiner lesenswerten Kolumne („On Inequality Denial“) am Montag in NYTimes dazu Stellung.

Die anschliessende Diskussion hat sich für Gilles nicht gut entwickelt. Kurz gesagt wurden Gilles Angriffe gegen die Vorstellung, dass die US-Gesellschaft eine weitaus ungleiche Gesellschaft geworden ist, selbst verworfen. Es gibt viele unabhängige Indikatoren, die auf eine stark steigende Ungleichheit hindeuten.



Konzentration von Kapitaleinkommen in den USA, Graph: Prof. Paul Krugman via CBO

Doch bleibt die Verleugnung aus genau den gleichen Gründen wie die Verleugnung des Klimawandels bestehen: Es gibt mächtige Gruppen mit einem starken Interesse an Zurückweisung der Fakten, so Krugman. Man kann sich sicher sein, dass die Behauptung, dass die Zahlen von Piketty falsch seien, endlos wiederholt wird, auch wenn die Behauptung einer genauen Überprüfung nicht standhält.

Was man wissen sollte, ist laut Krugman, dass die Konzentration von sowohl dem Einkommen als auch dem Vermögen in den vergangenen Jahrzehnten stark gestiegen ist. Nein: Die Menschen, die das Einkommen bekommen und das Vermögen besitzen, sind nicht eine ständig wechselnde Gruppe: Vom Tellerwäscher zum Millionär und vom Millionär zum Tellerwäscher Geschichten sind selten, unterstreicht der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor mit Nachdruck.

Nein: Steuern und Beihilfen verändern das Bild nicht stark. In der Tat ist die Ungleichheit nach Steuern wegen der grossen Steuersenkungen an der Spitze der Einkommensskala in den 1970er Jahren noch schneller gestiegen als die Ungleichheit vor Steuern.

Dieses Bild mag manchen Menschen unangenehm vorkommen, weil es zu populistischen Forderungen wie nach höheren Steuern für Reiche führt. Aber gute Ideen brauchen nicht mit Vorwand verkauft zu werden. Wenn das Argument gegen Populismus auf falsche Behauptungen über Ungleichheit beruht, sollte man über die Möglichkeit nachdenken, dass die Populisten damit richtig liegen mögen, hält Krugman als Fazit fest.





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