Die Eurozone steckt in einer
verlängerten nachfrage-defizitären Rezession. Deutschland hingegen erzielt
Überschüsse in den öffentlichen Haushalten und reduziert seine Schuldenlast und
gewinnt Exportmärkte dazu. Die Krisenländer sollen Strukturreformen umsetzen
und mehr Flexibilität in den Märkten zulassen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit
selbst erhöhen.
Solche Argumente tragen vor allem
Hardliner der von der deutschen Regierung auf den Rest der Eurozone aufgezwungenen
Austeritätspolitik öfters vor. Neuerdings hat auch Otmar Issing in einem
wunderlichen Artikel („Blame Germany for
bad policies, not its reluctance to spend more“) in FT einen identischen Standpunkt vorgestellt. Seine Argumentation ist aber irrelevant,
wenn v.a. die Inflationsrate in der EWU unter dem Ziel der EZB verläuft und die
Zielinflation der EZB von Deutschland seit Jahren unterboten wird.
Allerdings sollte man auch nicht mit
den folgenden Argumenten dagegenhalten, die auf die falsche Richtung hindeuten,
schreibt Simon Wren-Lewis in seinem Blog: (1) Deutschland brauche eine expansive Fiskalpolitik und (2)
Deutschland müsse seinen Nachbarn in der Eurozone helfen.
Das erste Argument ist problematisch,
weil es die restriktive Fiskalpolitik (fiscal
rules) legitimisiert, die eigentlich den Ursprung der gegenwärtigen ökonomischen
Widrigkeiten in der Eurozone ausmacht. Steckt die Wirtschaft in einer
Liquiditätsfalle, ist ein Konjunkturprogramm (fiscal stimulus) notwendig, da die herkömmliche Geldpolitik zu kurz
greift, während die nominalen Zinsen nahe null liegen (zero lower bound).
Auch das zweite Argument ist
heikel, weil es einerseits mit dem populistischen Sentiment in Deutschland auf
einer Wellenlänge liegt, wonach Deutschland immer angefragt werde, die
Krisenländer zu retten (bail-out),
die haushaltspolitisch unverantwortlich verschwenderisch handeln.
Und weil es
andererseits impliziert, dass Deutschland mit seiner gegenwärtigen
makroökonomischen Politik Recht hätte. Ganz im Gegenteil muss Deutschland von
dieser Position (Austerität mitten in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft)
wegkommen.
Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss
im Verhältnis zum BIP, Graph: FRED,
Fed St. Louis
Die unbequeme Wahrheit für
Deutschland ist, dass es Hochkonjunktur braucht, und zwar mit einer Inflationsrate
deutlich über dem Ziel der Preisstabilität (2%), legt der an der Oxford University lehrende
Wirtschaftsprofessor dar.
Die Fehlausrichtung der aktuellen
Wettbewerbsfähigkeit ist ein Ergebnis des niedrigen Nominallohnwachstums in Deutschland
über die 2000-2007 Periode, was im Endeffekt in der Tat eine „beggar my neighbour policy“ in Bezug
auf den Rest der Eurozone bedeutet, so Wren-Lewis.
Die Frage ist, wie die Korrektur
stattfindet? Die effiziente Lösung wäre eine Inflationsrate über 2% in
Deutschland und unter 2% im Rest der Eurozone. Eine ineffiziente Lösung wäre
eine Inflationsrate nahe 2% in Deutschland und eine Deflation im Rest der Eurozone.
Deutschlands gegenwärtige
Position ist nicht nachhaltig, mit einem riesigen Leistungsbilanzüberschuss und
einer relativen Konjunkturlage. Das, was zwischen 2000 und 2007 geschehen ist,
muss rückgängig gemacht werden. In den nächsten fünf bis zehn Jahren müsste die
Inflation in Deutschland deutlich über dem Durchschnittswert der Eurozone
liegen, argumentiert Wren-Lewis weiter.
Der Blick auf die
Verbraucherpreise kann die nationalen Unterschiede tendenziell maskieren: Im
Zeitraum 2000-2007 betrug der Konsumentenpreisindex in der Eurozone 2,2%. In
Deutschland 1,7%. Wenn man aber den BIP-Deflator
heranzieht, ergibt sich ein anderes Bild: Die Inflation belief sich in der
Eurozone im Durchschnitt auf knapp über 2%. In Deutschland lag sie bei 0,8%.
Während Löhne und Kaufkraft der deutschen
Verbraucher seit 2000 stagnieren, hat Deutschland das gemeinsam festgelegte
Inflationsziel unterlaufen, um durch Lohnmoderation seine Wettbewerbsfähigkeit
gegen den Rest der europäischen Länder auszuspielen. Berlins Forderung, auch
der Rest der Eurozone soll durch „internal devaluation“ seine Wettbewerbsfähigkeit
verbessern, läuft darauf hinaus, die Rezession in der Eurozone weiter zu
vertiefen, und zwar mit Deflation im Ergebnis.
1 Kommentar:
Dann wird es ja spannend bleiben, ob die Regierung wirklich kurzfristig von der Austeritätspolitik abweicht. So viel Sachverstand eine Situation in Gänze zu analysieren, scheint in Berlin selten vorhanden zu sein.
Kommentar veröffentlichen