Sonntag, 2. November 2014

Wer Inflation unterbietet, zwingt lockere Geldpolitik

Die amerikanische Inflationsrate läuft den 29. Monat in Folge unter dem Zielwert der US-Notenbank, wie das WSJ mit der folgenden Abbildung berichtet.

Die Fed hat zwar am 29. Oktober in ihrer Stellungnahme beteuert, dass die Inflation in absehbarer Zeit auf den Pfad der Zielinflationsrate zurückkehren werde. Aber Narayana Kocherlakota vertritt eine andere Meinung.

Der Fed-Präsident Minneapolis sagt, dass die Inflationsaussichten seit Dezember auf mittlere Frist auf keine Anzeichen einer allgemeinen Verbesserung hindeuten. Wenn die Fed daran scheitert, auf die gedämpften Inflationsaussichten zu antworten, erhöht sich das Abwärtsrisiko für die Glaubwürdigkeit der von der Fed verfolgten Ziel-Inflationsrate von 2 Prozent, so Kocherlakota.

Ein Schwenk auf diese Seite des Atlantiks hilft einen Überblick über den gesamten Zusammenhang zu verschaffen.



Inflation in den USA unterbietet die Ziel-Inflationsrate der Fed seit 29 Monaten in Folge, Graph: WSJ


Deutschland hat das gemeinsam festgelegte Inflationsziel in der EWU stets unterboten (durch Lohnmoderation), um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Der Rest der Euro-Zone hat sich mit der Abwertung dagegen nicht wehren können, weil die betreffenden Länder keine eigene Landeswährung haben.

Berlin legt ihnen nun nahe, dass auch sie ihre Wettbewerbsfähigkeit über Lohnsenkungen (d.h. internal devaluation) wiederherstellen sollen. In einer Wirtschaft, die bereits in einer tiefen Rezession steckt, wird die Situation dadurch aber nur verschlimmert. Nicht nur, dass auch die anderen Länder gegen das gemeinsam festgelegte Inflationsziel verstossen würden, sondern dass die ganze Übung in Deflation endet. Die Preise fallen nämlich weiter. Die EZB kann so viel Liquidität in das System pumpen, wie sie will. Es ändert sich daran nichts.

Es muss nicht unbedingt eine vollständige Deflation vorliegen. Eine lang anhaltende Niedriginflation richtet genug Schaden für die Wirtschaft an.

Abgesehen davon ist die Wettbewerbsfähigkeit ein relatives Konzept: Die Ausgaben des einen sind die Einnahmen des anderen. Wenn die Löhne nicht steigen, kommt der private Verbrauch zum Erliegen. Wenn die Löhne sinken, sinkt auch die Bereitschaft der Unternehmen, Investitionen zu erhöhen.

Berlin und Brüssel setzen einzig auf die Strukturreformen, die wiederum Massnahmen auf der Angebotsseite umfassen. Das Problem liegt aber auf der Nachfrageseite. Die Investitionsschwäche in der Euro-Zone wird mit der von den EU-Behörden bevorzugten Angebotspolitik dummerweise weiter gestützt.

Die EZB hat daher die Zinsen senken müssen, nicht weil Südeuropa eine verschwenderische Haushaltspolitik verfolgt und dadurch Inflationsgefahr hervorgerufen hat, sondern weil die Lohnmoderation (und damit die Unterbietung der Inflation) in Deutschland mit der Zielinflationsrate der EZB nicht im Einklang steht:



German Bund Laufzeitprämie (term premium), m.a.W.. Volatilität von Zinssätzen und Inflation auf Allzeit-Tief, Graph: Morgan Stanley

Die Reallöhne in Deutschland sind seit 2000 kaum gestiegen. Das Wachstum der Reallöhne blieb in den vergangenen Jahren unter der Produktivität. Die EZB muss deswegen am lockeren Kurs der Geldpolitik festhalten, (auch wenn Deutschland stetig dagegen protestiert), um den unvorteilhaften Auswirkungen der Lohnzurückhaltung und das Unterlaufen der in der EWU geltenden Ziel-Inflationsrate durch Deutschland auf die Eurozone entgegenzuwirken.



Frühindikatoren in Deutschland zeigten bisher auf die aktuellen Massnahmen der EZB keine Reaktion; Inflation ist abwärtsgerichtet, Graph: Morgan Stanley


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