Freitag, 14. November 2014

Was ist die richtige Bilanzgrösse einer Zentralbank?

Die Bilanzsumme der Fed ist im Sog der unkonventionellen Geldpolitik von weniger als 1‘000 Mrd. USD im Jahr 2007 auf 4‘500 Mrd. USD heute gestiegen.

Auch die EZB stellt derzeit Überlegungen an, ein Anleihekaufprogramm à la Fed in Angriff zu nehmen. Die EZB-Bilanz dürfte dabeit um 1‘000 Mrd. EUR anschwellen, wie Mario Draghi neulich hat andeuten lassen. Jens Weidmann, Bundesbank-Präsident stemmt sich weiter gegen Staatsanleihekäufe durch die EZB.

Aber auch Hans-Werner Sinn ist ein prominenter Gegner der QE-Politik durch die EZB. Die Argumente lauten „Staatsfinanzierung mit der Notenpresse“ oder „Zentralbank wird zur Geissel der Politik“ usw.

Was ist aber die richtige Grösse einer Zentralbank-Bilanz?

Cecchetti und Schoenholtz liefern in einem lesenswerten Blog-Eintrag eine Antwort darauf.

Die Antwort hängt von den politischen Zielen der betreffenden Notenbank und der Art des Finanzsystems ab. Im Fall der Fed ist zu erwarten, dass die US-Notenbank ihre langfristigen Ziele auch mit weniger als die Hälfte der gegenwärtigen Aktiva erreichen kann.


Vermögenswerte der weltweiten Zentralbanken (Entwicklungsländer + fortgeschrittene Industrieländer), Graph: Cecchetti und Schoenholtz in: How big should central bank balance sheets be?, Oct 2014


Bemerkenswert ist, dass die Grösse der Zentralbankbilanzen von Land zu Land stark voneinander variiert: Während die Bilanzsumme in Kanada 5% des BIP ausmacht, beträgt sie in der Schweiz 80% der Wirtschaftsleistung.

Die Zentralbanken in den aufstrebenden Volkswirtschaften haben i.d.R. Bilanzen, die fast doppelt so hoch sind wie die in den entwickelten Industrieländern. Die Spannweite schwankt zwischen 12% des BIP in Kolumbien bis 140% des BIP in Hong Kong.

Es gibt fünf Gründe für diese Differenzen:

Finanzsystem-Struktur,
Regulierung,
Politische Zielsetzung,
Grad der Unabhängigkeit der Zentralbank.
Zahlungstechnologie.

In Finanzsystemen, wo die Banken dominieren, haben Zentralbanken grössere Bilanzen. Wo Reserveanforderungen hoch sind, brauchen Zentralbanken grössere Bilanzen, um die Reserve-Bedürfnisse der Banken zu decken.

Wo Zahlungstechnologie sich stark auf die Währung stützt (also nicht auf elektronische Überweisungen), wo die Öffentlichkeit mehr Bargeld hält und die Geschäftsbanken mehr Reservepuffer benötigen, um Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, ist eine grössere Zentralbankbilanz notwendig.

Zentralbanken, die sich auf Wechselkursstabilität konzentrieren, brauchen hohe Devisenreserven. Und schliesslich, wenn die Zentralbank politisch nicht unabhängig ist, ist öfters unumgänglich, dass sie ein grosses Volumen an Aktiva halten muss, um eine Rolle für die Regierung zu spielen.



Bilanzsumme von Zentralbanken im Vergleich (im Verhältnis zum BIP), Graph: Cecchetti und Schoenholtz in: How big should central bank balance sheets be?, Oct 2014

Welche Faktoren haben seit dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 dazu beigetragen, dass die Bilanzsumme der Zentralbanken massiv gestiegen sind? Die Bilanzsumme der Zentralbanken hat sich in diesem Zeitraum weltweit verdreifacht, auf insgesamt 22‘000 Mrd. USD, per Mitte 2014.

Es gibt v.a. vier Arten von Motiven im Zusammenhang mit den geldpolitischen Zielsetzungen:

Devisengeschäfte,
Kreditgeber letzter Instanz (lender of last resort),
Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage an der Nullzins-Grenze (zero lower bound),
Fiscal Dominance (d.h. Zwang, Staatsfinanzierung zu betreiben).

Die krisenbedingte Expansion der Zentralbankbilanzen seit 2007 hatte v.a. mit der ersten und der zweiten Kategorie zu tun.

So, welches Ziel sollte die Fed in Bezug auf die aussergewöhnliche Grösse ihrer Bilanz verfolgen?

Die Antwort erfordert eine Abwägung zwischen den Vorteile und Nachteilen der Aufrechterhaltung einer grossen Bilanz in normalen Zeiten, wenn die Geldpolitik durch die Festlegung der Zinssätze gestaltet wird.

Zu den Vorteilen zählen (a) die Fähigkeit, auf den Preis einer Reihe von Wertpapieren Einfluss zu nehmen, (b) die Bereitstellung von qualitativ hochwertigen liquiden Aktiva zur Wirtschaft und (c) die Limitierung der Liquiditäts- und Fristentransformation.

Zu den Nachteilen gehören (i) Portfoliorisiko, (ii) Ersatz der privaten Finanzintermediäre (Zwischenhändler) und (iii) Gefahr für die Unabhängigkeit der Zentralbank.

Die modernen Zentralbanken sind heute in der Lage, die Liquidität mit Wechselforderungen (langfristig) und Repo-Geschäften (kurzfristig) die Überschussliquidität wieder abzuschöpfen. Viele unkonventionelle Massnahmen laufen bei Nicht-Erneuerung automatisch aus. Entscheidend ist der Ausstiegszeitpunkt und die Standfestigkeit der Zentralbanker, dem politischen Druck nicht nachzugeben.




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