Dienstag, 18. November 2014

Der deutsche makroökonomische Sonderweg und die Eurozone

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die wirtschaftliche Erholung Europas wegen der restriktiven Fiskalpolitik nicht vorankommt. Und während die Inflationsrate unter dem Ziel der Preisstabilität liegt, zeichnet sich inzwischen immer mehr die Gefahr einer Deflation ab.

Die EZB hat zwar ein festes Inflationsziel. Aber sie unterläuft die in der EWU gemeinsam festgelegte Ziel-Inflationsrate seit geraumer Zeit. Obendrauf prognostiziert die EZB selbst, dass die Inflationsrate auf absehbare Zeit unter der Zielinflation verlaufen wird. Trotzdem halten die europäischen Währungshüter am gegenwärtigen Kurs der Geldpolitik fest, sodass die Unterbietung der Ziel-Inflationsrate bestehen bleibt.

Ist das nicht bizarr? Das ist eigentlich eine lausige Geldpolitik, wie Brad DeLong in seinem Blog beschreibt.

Jens Weidmann, Bundesbankpräsident sagt, dass die Staatsanleihenkäufe durch die EZB erhebliche Fehlanreize bergen.

Was sind aber die Risiken dafür, dass die EZB mit der QE-Politik ihre Bilanz ausweitet, solange die Ziel-Inflationsrate unterboten wird?


Inflationserwartungen in der Eurozone fallen wie Survey of Professional Forecasters nahelegt, Graph: ZKB

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation unter 1% bleibt, beträgt 53% in Jahr 2015 und 28% im Jahr 2016

Die Bundesbank ist gegen eine expansive Geldpolitik der EZB (auch mit unkonventionellen Mitteln), weil dadurch der Druck, Austeritätspolitik zu verfolgen, abnehmen würde.

„Solche Käufe könnten neue Verschuldungsanreize bewirken und ausserdem die Reformmüdigkeit in einigen Ländern verstärken“, ergänzt Weidmann, ohne mit der Wimper zu zucken.

Das ist eigentlich ein hammermässiges Anliegen, kommentiert Paul Krugman in seinem Blog. Die politische Grundlage für das europäische Projekt kommt aus den Fugen. Aber Weidmann befürchtet, dass die monetäre Expansion das Leben der Schuldner-Länder zu einfach machen würde, so der an der im Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor.

Deutsche Ökonomen lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen, schreibt Wolfgang Münchau in einem ausgezeichneten Artikel („The wacky economics of Germany’s parallel universe“) in  FT:  Diejenigen, die Keynes nicht gelesen haben und diejenigen, die Keynes nicht verstehen.

In Deutschland herrscht ein orthodoxes Dogma, wie es zuletzt im aktuellen Jahresbericht des deutschen Sachverständigenrates zum Ausdruck kam. Der Sachverständigenrat der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland kritisiert nicht den Mangel an Investitionen, übermässige Leistungsbilanzüberschüsse oder übereifrige Finanzdisziplin, sondern den Mindestlohn. Das heisst im Grunde genommen, dass die Regierung Merkel noch härter vorgehen soll als sonst.

Der Ordoliberalismus ist die vorherrschende Doktrin in Deutschland, unterstreicht Münchau weiter. Und Deutschland versucht die ordoliberale Ideologie in den Rest der Eurozone zu exportieren.

Der deutsche makroökonomische Sonderweg war in der Praxis bis vor kurzem nicht wirklich wichtig. Wenn man seine eigene Währung hat und mit dem Rest der Welt via Handel verbunden ist, ist die verrückte Ideologie sein eigenes Problem. Nun ist Deutschland aber in der EWU. Und es gilt sich am gemeinsam festgelegten Inflationsziel festzuhalten. Wenn das nicht geschieht, entstehen Ungleichgewichte.

In der deutschen ökonomischen Denkweise gibt es aber nur mikroökonomische Verzerrungen. Makroökonomische Probleme, auch mitten einer zweiten Great Depression in Europa, existieren nicht, wie Krugman zusammenfasst.





Keine Kommentare: