Buchbesprechung:
Roger E. A. Farmer: How the Economy Works, Oxford University Press, New York, 2014
Ökonomen verwenden Modelle, um
ihre Annahmen über die Funktionsweise der Wirtschaft festzuhalten. Ein gutes
Modell gilt als Synonym für eine gute Theorie.
Ein Modell ist eine mathematische
Beschreibung einer Wirtschaftstheorie, schreibt Roger Farmer bereits
Anfang seines Buches. Der an der UCLA, University of
California Los Angeles lehrende Wirtschaftsprofessor legt in kurzen,
informativen Abschnitten das Fortschreiten der wirtschaftspolitischen Gedanken
von der klassischen ökonomischen Theorie bis zur keynesianischen Idee dar.
Es ist ein Hochseilakt. Und der Autor versucht, auf dem Seil zu tanzen, zwischen Hayek und Keynes, weil er eine
new theory schaffen will, um zu
erklären, warum es Arbeitslosigkeit gibt und wie die Zentralbank Abhilfe
schaffen kann.
Fiskal- und Geldpolitik können
nicht helfen, um die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Es sei denn, die
Wirtschaftspolitik sorgt dafür, dass das Vertrauen am Aktienmarkt wiederhergestellt
wird, hält Farmer überzeugt fest. Das ist der Dreh- und Angelpunkt des Buches. Farmer misst
v.a. der Markt-Psychologie grosse Bedeutung bei.
Das weltweite Finanzsystem war
2008 nicht zahlungsunfähig; es war potenziell insolvent (überschuldet): Es war
ein Problem der Markt-Psychologie, so Farmer weiter: „Freie Marktwirtschaft
liefert keine Preis-Signale, weshalb es Arbeitslosigkeit gibt. Die Nachfrage
nach Waren hängt vom Wohlstand (wealth)
ab. Und unterschiedliche Wohlstandsniveaus führen zu unterschiedlichen
Arbeitslosigkeitsraten. Wohlstand (Vermögen) hängt vom Vertrauen ab“.
Obwohl Farmer keynesianische
Konzeption nicht vollständig ablehnt, sagt er, dass der Fehler des
Keynesianismus an der Annahme liege, dass das Einkommen die hauptsächliche
Bestimmungsgrösse des Verbrauchs sei.
Das Einkommen ist aber laut
Farmer eine Determinante des Wohlstands, nicht des Konsums. Indem die
Keynesianer das Einkommen als Bestimmungsfaktor des Konsums hervorheben, neigen
sie dazu, die Fiskalpolitik zu befürworten, um die Vollbeschäftigung
wiederherzustellen. Das führt aber dazu, dass der Staat zu hohe Schulden
anhäuft, so Farmer.
Farmers Ansicht von Geldpolitik
ist in diesem Kontext wie folgt: Die kurzfristigen Zinsen sollten so schnell
wie möglich wieder erhöht werden, weil ein positiver Zinssatz notwendig ist, um
Inflation unter Kontrolle zu halten.Die Zentralbank soll die Zinsen nur für
dieses Vorhaben einsetzen, nicht um
Rezessionen zu verhindern. Wenn eine Zentralbank die Zinsen anhebt, ohne
Vertrauen schaffen zu können, wird die ganze Aktion in einen Wertverlust des
Aktienmarktes münden und auf diese Weise auf der realen Wirtschaft lasten.
Zentralbanken benötigen deshalb ein zweites Instrument.
Was ist es? Es ist die
Einflussnahme auf die Preise der Vermögenswerte v.a. am Aktienmarkt. Die
Zentralbank soll aber nicht in einzelne Aktien investieren, sondern eigens
einen Index-Funds gründen. Wenn die
Zentralbank diesen Index Funds kontrollieren kann, kann sie auch unterbinden,
dass die grossen Schwankungen am Finanzmarkt negativ auf die Realwirtschaft auswirken.
Denn der Wert des Wohlstands ist
mit dem Wert der Nachfrage eng verbunden, begründet Farmer seinen Ansatz. Ein
wichtiger Teil des Plans ist jedoch, dass die Interventionen der Zentralbank am
Aktienmarkt unabhängig von der Geldversorgung der Wirtschaft erfolgen. Um dies
zu gewährleisten, soll die Zentralbank festverzinsliche Anleihen mit drei
Monaten Laufzeit ausgeben, die wiederum vom Finanzministerium garantiert werden
sollen. Die Zentralbank sei auf diese Weise auch nicht gezwungen, in
Krisenzeiten Banken zu kaufen oder zu verstaatlichen.
Farmer nennt sein Konzept eine
neue Theorie, die die besten Eigenschaften aus der neoklassischen Theorie und
des Keynesianismus miteinander kombiniere. Aus der klassischen ökonomischen
Schule nimmt Farmer „Verhaltens- und Handlungstheorie“. Und aus der keynesianischen
Wirtschaftspolitik übernimmt er die Idee, dass die Märkte nicht immer perfekt
funktionieren und es daher einer Regulierung bedarf.
Das alles tönt im Grunde genommen
nach Macro-Finance, was ein relativ
neues Gebiet in der Volkswirtschaftslehre ist, wo makroökonomische Sicht mit
Finanztheorie verbunden wird. Es geht darum, in der Gestaltung der Wirtschaftspolitik
die internationalen Kapitalströme für die Banken mitzuberücksichtigen. Kurzum:
Der Finanzmarkt soll in die Analyse der gesamtwirtschaftlichen Vorgängen
mit eingebaut werden.
Das wiederum bedeutet, dass der
Autor davon ausgeht, dass das Problem in unserem Denken liegt, nicht in den
Modellen. Der Fehler liegt demnach beim Menschen, nicht in der Theorie, weil
das menschliche Urteil systematisch von sog. rationalen Modellen abweicht.
Stimmt es? Zweifelhaft. Denn es ist gerade die Annahme der klassischen
Finanztheorie, die uns weis machen will, wie die wirkliche Welt funktioniert. Folge:
Entscheidungsträger schützen sich mit Modellen davor, Verantwortung zu
übernehmen, wenn „etwas schief geht“.
Das Buch ist erstmals 2010 als Hardcover erschienen. Das hier
besprochene Buch ist das Paperback aus dem Jahr 2014. Seither verbuchen die
Aktien in den grössten Volkswirtschaften der Welt fast wöchentlich fulminante
Kursgewinne. Die Arbeitslosigkeit bleibt aber ein grosses und schmerzhaftes
Problem. Aus dieser Warte betrachtet überzeugt Autors Konzeption nicht. Es ist
aber trotzdem ein sehr informatives Buch, das dem Leser (auch dem Laien) als Tour d‘Horizon der ökonomischen Theorien (mit kurzen Beschreibungen und Bildern) im Zusammenhang mit dem Verlauf der Zeit viele Denkanstösse
gibt.
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