Sonntag, 30. November 2014

How the Economy Works

Buchbesprechung:

Roger E. A. Farmer: How the Economy Works, Oxford University Press, New York, 2014


Ökonomen verwenden Modelle, um ihre Annahmen über die Funktionsweise der Wirtschaft festzuhalten. Ein gutes Modell gilt als Synonym für eine gute Theorie.

Ein Modell ist eine mathematische Beschreibung einer Wirtschaftstheorie, schreibt Roger Farmer bereits Anfang seines Buches. Der an der UCLA, University of California Los Angeles lehrende Wirtschaftsprofessor legt in kurzen, informativen Abschnitten das Fortschreiten der wirtschaftspolitischen Gedanken von der klassischen ökonomischen Theorie bis zur keynesianischen Idee dar.

Es ist ein Hochseilakt. Und der Autor versucht, auf dem Seil zu tanzen, zwischen Hayek und Keynes, weil er eine new theory schaffen will, um zu erklären, warum es Arbeitslosigkeit gibt und wie die Zentralbank Abhilfe schaffen kann.

Fiskal- und Geldpolitik können nicht helfen, um die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Es sei denn, die Wirtschaftspolitik sorgt dafür, dass das Vertrauen am Aktienmarkt wiederhergestellt wird, hält Farmer überzeugt fest. Das ist der Dreh- und Angelpunkt des Buches. Farmer misst v.a. der Markt-Psychologie grosse Bedeutung bei.

Das weltweite Finanzsystem war 2008 nicht zahlungsunfähig; es war potenziell insolvent (überschuldet): Es war ein Problem der Markt-Psychologie, so Farmer weiter: „Freie Marktwirtschaft liefert keine Preis-Signale, weshalb es Arbeitslosigkeit gibt. Die Nachfrage nach Waren hängt vom Wohlstand (wealth) ab. Und unterschiedliche Wohlstandsniveaus führen zu unterschiedlichen Arbeitslosigkeitsraten. Wohlstand (Vermögen) hängt vom Vertrauen ab“.

Obwohl Farmer keynesianische Konzeption nicht vollständig ablehnt, sagt er, dass der Fehler des Keynesianismus an der Annahme liege, dass das Einkommen die hauptsächliche Bestimmungsgrösse des Verbrauchs sei.


Das Einkommen ist aber laut Farmer eine Determinante des Wohlstands, nicht des Konsums. Indem die Keynesianer das Einkommen als Bestimmungsfaktor des Konsums hervorheben, neigen sie dazu, die Fiskalpolitik zu befürworten, um die Vollbeschäftigung wiederherzustellen. Das führt aber dazu, dass der Staat zu hohe Schulden anhäuft, so Farmer.

Was Farmer von Fiskalpolitik hält, lässt sich kurz zusammenfassen: Ein Konjunkturpaket (fiscal stimulus) mag ein wichtiger Bestandteil eines Rettungsplans sein. Aber es gibt eine bessere Alternative. Wenn schon Fiscal Stimulus, dann in Form von Transferleistungen (Übertragung von Guthaben) an einzelne Einwohner, nicht in Form von erhöhten Staatsausgaben.

Farmers Ansicht von Geldpolitik ist in diesem Kontext wie folgt: Die kurzfristigen Zinsen sollten so schnell wie möglich wieder erhöht werden, weil ein positiver Zinssatz notwendig ist, um Inflation unter Kontrolle zu halten.Die Zentralbank soll die Zinsen nur für dieses Vorhaben einsetzen,  nicht um Rezessionen zu verhindern. Wenn eine Zentralbank die Zinsen anhebt, ohne Vertrauen schaffen zu können, wird die ganze Aktion in einen Wertverlust des Aktienmarktes münden und auf diese Weise auf der realen Wirtschaft lasten. Zentralbanken benötigen deshalb ein zweites Instrument.

Was ist es? Es ist die Einflussnahme auf die Preise der Vermögenswerte v.a. am Aktienmarkt. Die Zentralbank soll aber nicht in einzelne Aktien investieren, sondern eigens einen Index-Funds gründen. Wenn die Zentralbank diesen Index Funds kontrollieren kann, kann sie auch unterbinden, dass die grossen Schwankungen am Finanzmarkt negativ auf die Realwirtschaft auswirken.

Denn der Wert des Wohlstands ist mit dem Wert der Nachfrage eng verbunden, begründet Farmer seinen Ansatz. Ein wichtiger Teil des Plans ist jedoch, dass die Interventionen der Zentralbank am Aktienmarkt unabhängig von der Geldversorgung der Wirtschaft erfolgen. Um dies zu gewährleisten, soll die Zentralbank festverzinsliche Anleihen mit drei Monaten Laufzeit ausgeben, die wiederum vom Finanzministerium garantiert werden sollen. Die Zentralbank sei auf diese Weise auch nicht gezwungen, in Krisenzeiten Banken zu kaufen oder zu verstaatlichen.

Farmer nennt sein Konzept eine neue Theorie, die die besten Eigenschaften aus der neoklassischen Theorie und des Keynesianismus miteinander kombiniere. Aus der klassischen ökonomischen Schule nimmt Farmer „Verhaltens- und Handlungstheorie“. Und aus der keynesianischen Wirtschaftspolitik übernimmt er die Idee, dass die Märkte nicht immer perfekt funktionieren und es daher einer Regulierung bedarf.

Das alles tönt im Grunde genommen nach Macro-Finance, was ein relativ neues Gebiet in der Volkswirtschaftslehre ist, wo makroökonomische Sicht mit Finanztheorie verbunden wird. Es geht darum, in der Gestaltung der Wirtschaftspolitik die internationalen Kapitalströme für die Banken mitzuberücksichtigen. Kurzum: Der Finanzmarkt soll in die Analyse der gesamtwirtschaftlichen Vorgängen mit eingebaut werden.

Das wiederum bedeutet, dass der Autor davon ausgeht, dass das Problem in unserem Denken liegt, nicht in den Modellen. Der Fehler liegt demnach beim Menschen, nicht in der Theorie, weil das menschliche Urteil systematisch von sog. rationalen Modellen abweicht. Stimmt es? Zweifelhaft. Denn es ist gerade die Annahme der klassischen Finanztheorie, die uns weis machen will, wie die wirkliche Welt funktioniert. Folge: Entscheidungsträger schützen sich mit Modellen davor, Verantwortung zu übernehmen, wenn „etwas schief geht“.

Das Buch ist erstmals 2010 als Hardcover erschienen. Das hier besprochene Buch ist das Paperback aus dem Jahr 2014. Seither verbuchen die Aktien in den grössten Volkswirtschaften der Welt fast wöchentlich fulminante Kursgewinne. Die Arbeitslosigkeit bleibt aber ein grosses und schmerzhaftes Problem. Aus dieser Warte betrachtet überzeugt Autors Konzeption nicht. Es ist aber trotzdem ein sehr informatives Buch, das dem Leser (auch dem Laien) als Tour d‘Horizon der ökonomischen Theorien (mit kurzen Beschreibungen und Bildern) im Zusammenhang mit dem Verlauf der Zeit viele Denkanstösse gibt.

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