Sonntag, 19. Juli 2015

Finnlands Wirtschaft in Euro-Zwangsjacke

Finnlands Wirtschaft war zu Beginn der 1990er Jahren durch eine Kombination aus einer geplatzten Immobilienblase und dem Zusammenbruch der Sowjetunion stark betrübt. Das Ergebnis war ein schwerer Einbruch der Konjunktur und eine verlangsamte Erholung der Wirtschaft. 

Der gegenwärtige Abschwung ist zwar gemessen am BIP pro Kopf nicht so schwer, aber weit hartnäckiger.

Wie Matt O’Brien im WonkBlog hervorhebt, ist Finnlands Wirtschaft (aber auch die der Niederlande) seit 2007 weniger gewachsen als Island. Zur Erinnerung: Island ging im Jahr 2008 im Grunde genommen Konkurs, wenn man es drastisch beschreiben darf.

Was ging schief? Die finnische Wirtschaft hat hauptsächlich zwei Export-Sektoren: Forstprodukte und Nokia (mobile phones). Beide sind aber abgestürzt. Stichworte: Apple-Konkurrenz mit iPhone und iPad und der schwache Welthandel.

Finnland würde unter Umständen abwerten, um seine Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Das ist aber nicht möglich, weil das Land in der EMU ist, d.h. dass es nicht eigene Währung hat, die es abwerten kann. Und die Anpassung geschieht daher via internal devaluation. Die Kostensenkung findet m.a.W. durch Lohnsenkung statt, was auf der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage lastet und das Wirtschaftswachstum verringert.



Die Euro-Zwangjacke und die Folgen in Bezug auf das Wirtschaftswachstum, Graph: Matt O’Brien in WaPo Wonkblog

Da die EU-Regeln Finnland zwingen, die Gürtel enger zu schnallen (austerity), senkt die Regierung gleichzeitig auch die Staatsausgaben, was die Rezession verschlimmert und deflationäre Tendenzen hervorruft.

Nocheinmal: Es ist schwer, es schlimmer zu haben als Island. Denn Islands gesamte Wirtschaft hat sich schliesslich im Jahr 2008 wie ein Hedge-Fonds erwiesen. Die Banken haben Zahlungsunfähigkeit (default) erklärt. Die Regierung hat die Finanzinstitute retten müssen. Und die Landeswährung hat 60% an Wert verloren.

Obendarauf hat Island zwischen 2009 und 2014 nahezu doppelt so viel Austerität als die Niederlanden und 12-mal soviel wie Finnland gehabt. Und wenn das noch nicht genug war, hat Finnland Kapitalverkehrskontrollen eingeführt, um den Kapitalabfluss zu unterbinden, wie O’Brien ausführlich beschreibt.

Trotz alledem hat Island es geschafft, Finnland und die Niederlande zu übertreffen. Wie ist das möglich?

Nun, Island ist nicht im Euro. Es hat seine eigene Währung; die isländische Krone. Wie so viel Wertverlust der Landeswährung den Menschen in Island wehgetan hat, hat es auch geholfen, die Landesgüter im Ausland wettbewerbsfähiger zu machen.

Der Euro hingegen tut genau das Gegenteil. Länder, die ihre Währung nicht abwerten oder die Zinsen nicht senken können, geraten in Schwierigkeiten. Alles, was sie tun können, ist, die Löhne zu senken und die Ausgaben zu kürzen.

Die Euro-Zwangsjacke verwandelt m.a.W. gewöhnliche Probleme in aussergewöhnliche Probleme (siehe Finnland) und aussergewöhnliche Probleme in Probleme historischen Aussmasses (seihe Griechenland).





3 Kommentare:

wiwuewi hat gesagt…

so ist es! leider werden das weder die deutschen noch die griechen hier lesen - und wenn, nicht verstehen wollen...

Johannes hat gesagt…

Diese Analyse wundert mich dann schon. Denn der Euro hat doch gewaltig abgewertet. Nutznießer dieser Abwertung war die exportlastigen Länder wie Deutschland und Finnland. Gerade die Schweiz erlebt durch die Aufwertung seiner Währung einer seiner schwersten Krisen. Würde Finnland noch mehr abwerten, würde das Bedeuten, dass die Rohstoffe, die Finnland braucht, um seine Wirtschaft am Laufen zu halten, teurer werden.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die wirtschaftliche Misere Finnlands, der einseitigen Ausrichtung seiner Wirtschaft geschuldet.

Acemaxx-Analytics hat gesagt…

@Johannes, warum wundert es dich? Die Analyse beruht auf VWL-Lehrbuch 1. Semester.