Samstag, 4. Juli 2015

Politische Verwicklungen - solvent, aber zahlungsunfähig

Das Verhältnis der Staatsverschuldung zum BIP (debt-to-GDP) beträgt in Griechenland 180%. Es sieht so aus, wie wenn das Land ohne hohe Primärüberschüsse (primary surpluses) insolvent wäre.

Das ist aber nicht der Fall, schreibt Paul de Grauwe in einem lesenswerten Artikel in voxeuDenn die Zinsbelastung ist nach der Schuldenumstrukturierung im Jahr 2012 auf mittlerweile 2% des BIP verringert worden. Es ist die EZB, die mit einer Fehldiagnose, eine unnötige Bankkrise in Griechenland ausgelöst hat, betont der an der London School of Economics lehrende Wirtschaftsprofessor.

Die EZB folgt dem Bagehot-Grundsatz, wonach die Zentralbank nur dann Geld an Banken leiht, wenn sie, also die Banken solvent, aber illiquid sind. 

Die EZB geht aber davon aus, dass die griechische Regierung mit 180% Schuldenstandsquote (debt-to-GDP) nicht mehr solvent ist. Und die europäische Notenbank ist deshalb nicht mehr bereit, Griechenlands Staatsanleihen für das OMT- oder QE-Programm mitzuberücksichtigen.


Griechenlands Zinszahlungen auf ausstehenden Schuldtitel des Landes im Verhältnis zum BIP, Graph: Paul de Grauwe in: voxeu "Greece is solvent, but illiquid", July 3, 2015 

De Grauwe hingegen zeigt in der folgenden Abbildung, dass Griechenland den niedrigsten Realzins (r) für seine Schulden entrichtet, und zugleich das niedrigste nominale Wirtschaftswachstum (g) hat.

Aus dem Ergebnis (r-g) geht hervor, dass die griechische Wirtschaft eine instabile Dynamik entfaltet. Deshalb ist es entscheidend, das Wirtschaftswachstum zu stimulieren, und zwar viel mehr als in jedem anderen Land in der Eurozone.

Wenn Griechenland ein nominales Wachstum (Inflation + reales Wachstum) von 2% an den Tag legen könnte, könnte es seine Schuldenlast entscheidend stabilisieren, erklärt de Grauwe.

Austerität ist dabei sicherlich nicht der Weg, der einzuschlagen ist. Griechenland hat seit 2009 kummuliert einen diskretionären Primärüberschuss von 18% des BIP erwirtschaftet. Und die Wirtschaft ist um 25% geschrumpft.


Realzinsen und nominales Wirtschaftswachstum im Vergeich, Graph: Paul de Grauwe in: voxeu "Greece is solvent, but illiquid", July 3, 2015

Durch die Weigerung, Liquidität bereitzustellen, hat die EZB daher laut de Grauwe eine unnötige Bankenkrise verursacht. Die Krise droht indes, die Rezession zu vertiefen, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen und den griechischen Staatshaushalt zu verschlechtern. So trägt die EZB dazu bei, dass Griechenland in einem schlechten Gleichgewicht (bad equilibrium) stecken bleibt.

Nettozinsbelastung der griechischen Regierung hat sich seit 2011 auf 4% des BIP halbiert, während sie in anderen Staaten wie z.B. Irland, Italien, Portugal und Spanien gestiegen ist.

Die Lösung ist deshalb, zu akzeptieren, dass Griechenlands Verschuldung nachhaltig ist, sodas die Austeritätspolitik gelockert und weitere Liquiditätszufuhr für die griechischen Banken sichergestellt wird.

Das scheint aber politisch nicht machbar, da die Politiker in einer fiktiven Welt leben, wo sie die Wahrheit vor Bürgern verstecken, dass in der Vergangenheit Verluste entstanden sind, die heute getragen werden müssten.


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